Virtueller Schulzzug überfährt Petry und Putin
Nach heftiger Kritik wurde ein Onlinespiel mit dem SPD-Kanzlerkandidaten nun entschärft
Computerspiele als Wahlkampfgag? Die Idee ist nicht neu: Schon 1997 schickte die damalige PDS ihren Spitzenpolitiker Gergor Gysi auf eine virtuelle Reise mit dem »Raumschiff Bonn«. Bei den Genossen von der SPD war das Daddeln für den Wahlkampf sogar noch früher ein Thema: In »Abenteuer Europa« schlüpften Gamer bereits 1994 in die Rolle des Journalisten Fred Beck, der einen Mafiaboss quer durch Europa jagte.
Europa ist auch ein passendes Stichwort, wenn es um das neueste SPD-Wahlkampfspiel geht. In »Schulzzug The Game« wird ein wichtiger Aspekt des bisherigen Onlinewahlkampfs aufgegriffen. Lokführer Martin Schulz, der SPD-Kanzlerkandidat, den niemand stoppen kann, ist nicht nur als Hashtag #Schulzzug auf Twitter zum Trend, sondern nun auch als Spiel verewigt worden. Als Gamer steuert man eine Lok mit Zugführer Schulz über virtuelle Gleise durch eine 8-Bit-Pixelgrafik-Welt. Der Zug rast zu den Klängen der »Internationalen« rasant davon und soll »bremsenlosen Spielspaß« bieten. Ziel des Spiels: Einfahrt ins Bundeskanzleramt.
Auf dem Weg dahin gilt es, möglichst viele Punkte zu sammeln. Und hier geht es um den eigentlichen Aufreger des Spiels: Minuspunkte gibt es, wenn der Schulzzug etwa AfD-Chefin Frauke Petry überfährt, die plötzlich auf den Gleisen auftaucht. In der Anleitung heißt es, »fiese Populisten versuchen, mit ihren rückwärtsgewandten, beschränkten und mauerorientierten Ideologien den Weg zu versperren«. Es gelte daher, ihnen auszuweichen. Soweit wenig gewalttätig.
Allerdings: Sammelt der Spieler unterwegs einen goldenen Stern auf, kassiert er für jedes überfahrene Ziel Punkte – egal ob es sich dabei um eine Münze, einen Schlagbaum oder die AfD-Politikerin handelt. Später im Spiel taucht nicht nur Petry auf, auch US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Vladimir Putin springen überraschend auf die Gleise. Im Netz gehen die Meinungen auseinander. CDU-Bundesvize Julia Klöckner twitterte: »Menschen in einem Spiel überfahren zu lassen, ist nicht wirklich witzig, geschmacklos.«
Entstanden ist das Onlinegame Anfang März bei einer Veranstaltung in der SPD-Zentrale. Die Sozialdemokraten hatten Programmierer zu einem »Hackathon« eingeladen. Auch Generalsekretärin Katarina Barley spielte den »Schulzzug«. Die SPD legt Wert darauf, kein Copyright darauf zu haben. Nun sei den Entwicklern aber nahegelegt worden, das Spiel »zu entschärfen«, hieß es am Dienstag aus der Partei.
Dieser Bitte sind die Programmierer inzwischen nachgekommen: In der Desktopvariante des Spiels können zwar noch immer Schranken und Mauern durchbrochen werden, allerdings fehlen von Petry, Putin und Trump nun jede Spur. Im App-Store von Apple war das Spiel am Dienstagnachmittag nicht mehr verfügbar. Inzwischen liegt eine überarbeiteter Fassung vor. Wer allerdings noch die erste Version auf dem Smartphone hat, kann die Rechtspolitiker weiterhin überfahren.
Schulz selbst hatte sich bei den »Nerds« für die Unterstützung via Twitter bedankt: »In Berlin programmieren einige Verrückte beim Hackathon 24h lang für meinen Wahlkampf. Danke euch und viel Energie!« Mit Agenturen
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