Vom Gefängnis aufs Spielfeld

Er hatte einen Mord in Auftrag gegeben und wurde verurteilt. Trotzdem darf Fußballprofi Bruno wieder spielen - dagegen protestieren viele Fans

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 3 Min.

Verdient ein verurteilter Verbrecher eine zweite Chance? Die Frage diskutiert in diesen Tagen Brasiliens Öffentlichkeit. Seit Fußballtorwart Bruno Fernandes de Souza vor wenigen Tagen beim Zweitligaklub Boa Esporte aus Varguinha in Brasiliens Südosten einen Profivertrag unterschrieben hat, gibt es viel Kritik in den sozialen Netzwerken. »Glaubt ihr, das Volk ist eine Bestie? Dass es einen Mörder unterstützen wird? Brasilien ist nicht umsonst im Eimer«, schrieb ein Anhänger auf der Facebook-Seite des Klubs.

Bruno hatte 2009 mit Rio de Janeiros Spitzenclub Flamengo die Meisterschaft gewonnen und galt sogar als Kandidat für die Nationalmannschaft. Doch dann kam alles anders. Seit 2010 saß Bruno im Gefängnis; 2013 war er zu mehr als 22 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden, weil er seine Geliebte Eliza Samudio ermorden und angeblich an Hunde hatte verfüttern lassen.

Samudio war schwanger, aber schon getrennt von dem Fußballprofi, als dieser den Mord an ihr in Auftrag gab. Bruno soll sie noch während der Partnerschaft geschlagen haben. Wegen Entführung und Misshandlung wurde er daraufhin 2010 zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Bruninho wollte Samudio, dass der Torwart die Vaterschaft anerkennt. Dann verschwand die damals 25-Jährige spurlos. Bruno wurde mit einem millionenschweren Angebot des AC Mailand in Verbindung gebracht. Zudem war er verheiratet. Die Ehefrau und Mutter von zwei gemeinsamen Kindern soll ebenfalls an der Ermordung Samudios Mitte 2010 beteiligt gewesen sein.

Laut Polizeierkenntnissen war Bruno bei dem Mord anwesend, wie ein Cousin des Torhüters, der ebenfalls beteiligt war, gegenüber den Ermittlern aussagte. In dem späteren Verfahren hatte Bruno seine Anwesenheit gestanden, aber nie, den Mord in Auftrag gegeben zu haben.

Im Februar war Bruno nach einem Beschluss des Oberstens Gerichtshofs überraschend nach sieben Jahren Gefängnis auf Bewährung freigelassen worden. Wegen der überforderten Gerichte Brasiliens war auch vier Jahre nach seiner Verurteilung noch nicht über seine Berufung gegen das damalige Urteil entschieden worden. Bruno scheint der Proteststurm aber nichts auszumachen. Beim obligatorischen Medizintest präsentierte sich der heute 32-Jährige lachend und bestens gelaunt.

Auch Boa Esporte sah sich wegen der Verpflichtung des Torhüters heftigen Attacken ausgesetzt. Der Hauptsponsor und weitere Unterstützer zogen sich zurück, der Ausrüster kündigte seinen Vertrag, und die Webseite des Vereins wurde gehackt. Der Klub und seine Sponsoren wurden bezichtigt, Gewalt gegen Frauen zu unterstützen. In Brasilien wurden 2014 4757 Frauen ermordet. Damit lag das Land international an fünfter Stelle.

Währenddessen verteidigte Boa Esportes Präsident, Rone Moraes da Costa, das Vorgehen des Klubs als Teil der sozialen Verpflichtung des Klubs. »Boa Esporte war nicht für die Freilassung von Bruno verantwortlich. Aber der Klub versucht, Gerechtigkeit walten zu lassen, indem er einem Menschen, der wiedergutmachen will, hilft und ihm Arbeit gibt«, so Moraes. Diese Aussage hatte jedoch weitere ablehnende Kommentare zur Folge.

Nach seiner Vorstellung bei Boa Esporte betonte Bruno jetzt: »Es ist mir egal, was die Leute sagen.« Er wolle nun wieder sportlich Schlagzeilen machen. Laut seines Anwalts lagen ihm mehrere Angebote vor. Sein neuer Klub verteidigt den Vertrag: »Bruno hat eine zweite Chance als Profi verdient.« Das sehen nicht alle in Brasilien so.

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