USA erstmals »echte« Baseballweltmeister
Lange war die WM im Mutterland des Sports verpönt, bis sich ein paar Stars erbarmten und ihren Nationalstolz neu entdeckten
Als Eric Hosmer den letzten Ball gefangen hatte, strich er sich mit der Hand sofort über den Schriftzug auf seiner Brust. Teamkollege Adam Jones tat es ihm nach: »USA« stand drauf, und das sollte am Mittwochabend in Los Angeles offenbar betont werden. Die Schmach, dass das Land, in dem Baseball groß wurde, noch nie den Profi-Weltmeistertitel gewonnen hatte, war durch das 8:0 gegen Puerto Rico getilgt worden, und die US-Amerikaner entdeckten ihren Nationalstolz wieder, den sie im Baseball lange Zeit geleugnet hatten.
Mehr als ein Jahrhundert lang war Baseball der Lieblingssport der meisten US-Amerikaner. Ein Spiel der Profiliga Major League Baseball (MLB) zu besuchen, war ihre Lieblingsfreizeitbeschäftigung. American Football hat zwar mittlerweile knapp die Nase vorn in der Beliebtheitsskala, doch Baseball ist immer noch eine große Sache im Land, in dem vor fast 200 Jahren die Regeln des Spiels festgelegt wurden und erste Profis schon im 19. Jahrhundert Geld damit verdienten, einen Ball aus Kork und Leder über eine Mauer zu schlagen.
In der Folgezeit exportierten Missionare und Soldaten des Landes ihr Hobby in die Karibik, nach Mittelamerika, ja sogar bis nach Japan, wo der Sport heute die klare Nummer eins ist. Viele Kinder aus Japan, der Dominikanischen Republik oder Venezuela träumen von einer Karriere in der MLB. Immer wieder flüchten auch große Talente aus Kuba, um 200 Kilometer nördlich mehrere Millionen Dollar pro Jahr zu verdienen.
Die USA sind also das Zentrum des Baseballsports. Einen Weltmeister zu küren, war demnach nie notwendig, war doch klar, dass die Amis die besten waren. Seit den 1930er Jahren wurden zwar regelmäßig Weltmeisterschaften ausgetragen, doch interessierte sich kaum jemand dafür, weil nur Amateure mitspielen durften. Selbst die ersten Titel für die USA in den 70ern fanden daher kaum Beachtung in der Heimat.
MLB-Profis stiegen erst ein, als 2006 die World Baseball Classic (WBC) ins Leben gerufen wurde. Es dauerte trotzdem weitere elf Jahre, bis Eric Hosmer und seine Kollegen nun erstmals den »echten« Titel feiern durften. »Für dein Land zu spielen, fühlt sich anders an. Es war eine große Ehre, vor allem, nachdem wir den Pokal endlich nach Hause gebracht haben«, sagte Hosmer.
Dafür dass der Erfolg so lange auf sich hatte warten lassen, fanden US-Amerikaner stets gute Ausreden: Da war zunächst der Zeitpunkt des Turniers. Anfangs alle drei, nun alle vier Jahre wird die WBC immer im Frühling gespielt, einer Zeit, in der die Profis gerade erst aus dem Urlaub kommen und ins Training für die lange Saison einsteigen. Der Stolz, für sein Land anzutreten, hielt sich daher auch in Grenzen, so dass sich kaum Stars für die Nationalmannschaft meldeten. Außerdem ließen sich die Klubeigner aus der MLB zusichern, dass sie nicht mehr als zwei Spieler für das Turnier abstellen müssten, egal ob sie nun für die USA, Japan oder Italien spielen würden. In den US-Medien wurde der Wert des Turniers daher regelmäßig geringgeschätzt, was wiederum zur Folge hatte, dass sich auch in der Folge kaum jemand für die WBC interessierte.
Das könnte sich nun ändern. Auch diesmal fehlten zwar einige der Topstars in der Mannschaft der USA , doch immerhin hatte Teammanager Jim Leyland eine Truppe von Allstars zusammenbekommen, die den anderen Nationen, die traditionell ihre Besten versammeln, einiges entgegenzusetzen hatten. So wurden im Halbfinale die noch unbesiegten Japaner bezwungen und im Finale Puerto Rico, das bis dahin ebenfalls noch kein Spiel verloren hatte.
»Der Titel ist für all jene, die unserem Land dienen«, widmete Leyland die Trophäe sogleich den US-Soldaten. Donald Trump hätte in dem Moment kaum nationalistischer sein können. Und Leyland hatte diesen Geist offenbar seinem ganzen Team eingetrichtert, denn schon kurz nach dem Sieg tanzten die Spieler um einen Weißkopfseeadler aus Pappe herum, dem US-Wappentier. Dabei ist auch klar, dass Leylands Spieler wohl kaum in Tränen ausgebrochen wären, hätten sie das Finale verloren. Jeder von ihnen würde einen MLB-Titel sofort mit dieser Weltmeisterschaft tauschen.
Ganz anders die Puertoricaner, denen die World Baseball Classic erkennbar wichtiger war. »Nichts kommt an diese zwei Wochen heran. Jeder zuhause hat sich auf das Turnier gefreut. Alle waren heiß auf Baseball. Keiner spielt mehr Fußball«, sagte Carlos Correa, der von allen WM-Teilnehmern die meisten Punkte gesammelt hatte, nur eben keinen im Endspiel. Das ganze Land stand hinter dem Team, das von Sieg zu Sieg geeilt war, doch das i-Tüpfelchen fehlte: ein Finalsieg über die USA.
Die Inselgruppe ist offiziell kein Bundesstaat, aber ein sogenanntes Außengebiet der USA. Gesetze werden in Washington erlassen, ohne dass Puerto Rico eigene Vertreter ins Repräsentantenhaus schicken darf. Das führte dazu, dass das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt und außerdem kaum aus eigener Kraft wieder hinausfinden kann.
Nach dem Ende eines Baubooms wuchs die Schuldenlast auf 70 Milliarden US-Dollar (63 Milliarden Euro). Da die aber wegen eines US-Gesetzes erst bei den Gläubigern - meist US-Hedgefonds - beglichen werden müssen, bevor Schulen und Krankenhäuser saniert werden dürfen, leidet das ganze Land. Die Armutsrate liegt bei 45 Prozent. Viele Bürger ziehen in die USA. Schulen wurden geschlossen, die Mehrwertsteuer ist hoch. »Wir wollten den Leuten etwas Spaß zurückbringen«, sagte Jungstar Francisco Lindor. Doch nun weinten einige Mannschaftskameraden auf dem Feld und viele Fans im Stadion, während die US-Boys tanzten.
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