»Es geht um unsere Souveränität«

Ndongo Samba Sylla über Auswege aus der Knechtschaft afrikanischer Länder aus dem System des Franc CFA

  • Odile Jolys
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Franc CFA wurde in Ländern des französischsprachigen Afrikas noch vor der Unabhängigkeit 1945 eingeführt. Er ist heute an den Euro gekoppelt und die Parität wird von Frankreich garantiert. Sie plädieren für ein Ende des Franc CFA. Wieso sollten die 14 afrikanischen Länder, die sich diese stabile Währung teilen, eine neue wollen?
Erst einmal gibt es wirtschaftliche Argumente. Der Franc CFA ist eine starke Währung, da er mit dem Euro gekoppelt ist. Die wirtschaftliche Konjunktur der Euro-Währungszone, die nichts mit unserer zu tun hat, schlägt bei uns durch. Unsere Wirtschaft ist Schwankungen unterworfen, weil sie sehr von den Rohstoffpreisen und den Niederschlägen, welche die landwirtschaftliche Produktion bestimmen, abhängig ist. Wir brauchen daher eine flexible Währung, um diese Schwankungen besser abfedern zu können.
Und weil die Währung stark ist, sind unsere Exporte nicht wettbewerbsfähig und wir importieren viel zu viel, weil ausländische Güter dadurch relativ billig sind. Dies ist auch ein Hindernis für eine Industrialisierung der westafrikanischen Länder. Es ist natürlich nicht der einzige Faktor, der die fehlende Industrialisierung in unseren Ländern erklärt. Aber, wenn wir eine Politik der Industrialisierung führen würden, hätten wir mit unserer starken Währung ein Problem. Die Währungspolitik muss mit der Wirtschaftspolitik kohärent sein. Sie ist ein Werkzeug.

Eine starke Währung wirkt aber tendenziell inflationsdämpfend. Ist das nicht ein Vorteil des Franc CFA?
Nicht für die afrikanischen Länder. Für sie ist die Inflationsbekämpfung ein weiteres Problem. Sie ist gegenwärtig eine Priorität. Die afrikanischen Länder könnten aber mehr Inflation gebrauchen, das Wachstum wäre stärker und es wäre für die Staaten mit dann höheren Steuereinnahmen leichter, die Schulden zurückzubezahlen. Und zudem ist unsere Wirtschaft unterfinanziert, weil unsere Zentralbank zögert, den Kreditrahmen auszuweiten, sodass sich die Unternehmen günstiger refinanzieren könnten. Das Argument der Zentralbank: Da die afrikanischen Länder wenig produzieren, würden die Unternehmen importieren. Der feste Wechselkurs mit dem Euro könnte durch die Handelsdefizite in Gefahr geraten.

Sind die Stimmen für eine Abschaffung des Franc CFA stark?
Ja, es gibt heute eine öffentliche Diskussion in mehreren afrikanischen Hauptstädten und selbst in Frankreich. Bei den Regierungen hat nur Idriss Déby, der Präsident von Tschad, sich schon 2015 für die Änderung des Systems ausgesprochen. Der Präsident Senegals, Macky Sall, hat den Franc CFA als eine gute Währung bezeichnet und nur Wirtschaftsexperten könnten ihn vielleicht überzeugen, seine Meinung zu ändern.
Die Diskussion wird auch von den Panafrikanisten getragen. Sie sagen - und es ist neben den wirtschaftlichen Argumenten, ein wichtiger Punkt gegen den Franc CFA - dass die Afrikaner ihr Schicksal selber in der Hand nehmen sollten. Im Ausschuss der Währungspolitik der Zentralbank für den Franc CFA sitzt ein Vertreter Frankreichs. Und das wollen wir nicht mehr. Es geht um unsere Souveränität.

Sie schreiben auch an einem alternativen Wirtschaftsbericht über Afrika mit. Geht es darum, auch mehr Souveränität zu erlangen?
Ja, wir wollen uns intellektuell aufrüsten. Wissen Sie, es gibt zahlreiche Berichte auch mit Ranglisten und unsere Regierungen sind gierig darauf. Nehmen wir als Beispiel den Weltbank-Bericht »Doing Business«, der die Qualität der Geschäftsbedingungen in einem Land messen soll. Die Regierung in Senegal zum Beispiel hat für sich erklärt, den Rang Senegals in diesem Ranking stark verbessern zu wollen. Aber der Bericht ist nicht aussagekräftig für afrikanische Unternehmer. Die Mehrheit ist im informellen Sektor tätig. Sie beklagen sich vor allem, nicht ausreichend Zugang zu Krediten zu haben. Nur darüber sagt der Bericht nichts. Er beschreibt nicht die reale Wirtschaft in Westafrika.
Unsere Regierungen sagen aber, wir sind in der Rangliste gestiegen, uns geht es besser. Wir wollen mit unserem Bericht die bestehenden Indikatoren kritisieren, neue Indikatoren vorschlagen und damit einen anderen Diskurs über die Wirtschaft Afrikas fördern, um die Wirtschaftspolitik besser anleiten zu können.

Sie wollen mehr Souveränität in der Währungspolitik und Wirtschaftspolitik. Jetzt kommt ein neuer Entwicklungsplan aus Deutschland - der Marschall-Plan für Afrika, von Entwicklungsminister Gerd Müller. Was halten Sie davon?
Ich bin hin und her gerissen. Mal sehen, ob das Angekündigte auch gemacht wird. Im Plan findet man gute Sachen: etwa einen Sitz für Afrika im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Betonung auf Fairen Handel - man will also über die strikte Logik des Freihandels hinauskommen -, ein Erasmus-Programm mit Afrika, eine Erleichterung bei der Visumerteilung für Journalisten, Künstler, Wissenschaftler - man sollte nicht die Geschäftsleute vergessen, weil sie oft Probleme bei der Beantragung eines Visums für Europa haben.
Es zeigt sich, dass Deutschland verstanden hat, dass die illegale Migration nur mit einem realen Willen, Afrika wirtschaftlich zu helfen, einzudämmen ist. Was ich auch gewissermaßen ehrlich finde - andere werden sagen, dass es demagogisch ist, dass der Plan die asymmetrischen Beziehungen, die noch aus der Kolonialzeit stammen, zwischen Afrika und Europa erwähnt. Frankreich würde so was nicht sagen. Aber die Erwähnung an sich kostet Müller nichts, solange keine Taten folgen.
Man sagt immer, wenn Afrika die gute Politik und die guten Institutionen übernimmt, wird der Kontinent sich entwickeln. Aber wenn der internationale Kontext nicht günstig ist, wird sich in Afrika nichts ändern. Derzeit sind die Voraussetzungen für nachholende Entwicklung nicht gegeben.

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