Die aufgehübschte Braut
Pünktlich zum Verkaufstermin überrascht die Landesbank im Norden mit guten Zahlen
Der Teufel steckt wieder mal im Detail. Ausgerechnet in der nagelneuen Imagebroschüre »Gute Arbeit« passierte der staatlichen HSH Nordbank ein gravierender Fehler: Der wichtige Standort in Frankfurt wurde vergessen. Ansonsten können sich die Zahlen der teilprivatisierten früheren Landesbank sehen lassen. Vorstandsvorsitzender Stefan Ermisch präsentierte in der Hamburger Konzernzentrale am Donnerstag eine für viele Beobachter überraschend positive Bilanz: Das Neugeschäft wurde gegenüber dem Vorjahr um ein Fünftel gesteigert, der Gewinn vor Steuern auf 640 Millionen verdreifacht, Eigenkapital und Risikovorsorge weiter gestärkt.
Fast alles wäre für eine heute mittelgroße Bank, die vor wenigen Jahren noch zu den zehn größten in Deutschland gehört hatte, im grünen Bereich. Wären da nicht die Altlasten. Die genannten guten Zahlen betreffen nämlich nur die sogenannte Kernbank. Und die wurde für den anstehenden Verkauf hübsch gemacht. Erkauft wurde dies mit einem Sparkurs: Das Geschäftsvolumen wurde in den letzten Jahren mehr als halbiert, die Zahl der Beschäftigten von 4000 auf 2000 gesenkt. Eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat sieht als Ziel etwa 1800 Arbeitsplätze vor.
Bis Anfang 2018 muss die HSH Nordbank privatisiert sein - sonst wird sie abgewickelt. Dies sehen Auflagen der Europäischen Kommission vor, mit denen sie die üppigen und daher grundsätzlich wettbewerbsverzerrenden Beihilfen durch Hamburg und Schleswig-Holstein erlaubte. 2009 hatten die beiden Länder das Kapital ihrer Bank um drei Milliarden Euro aufgestockt und Bürgschaften für zehn Milliarden Euro übernommen. Die Alternative wäre gewesen, die Bank pleite gehen zu lassen. Es ist bis heute unter Fachleuten umstritten, ob eine Insolvenz nicht die bessere, weil für die Bürger preiswertere Lösung gewesen wäre. Weitere Rettungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand folgten. Immerhin, sagte Boss Ermisch, kassierten die Länder dafür von der Bank in den letzten Jahren über drei Milliarden Euro als »Prämie«.
Ihre Altlasten bündelte die Nordbank in ihrer »Abbaubank«. Die Altlasten sind hauptsächlich Schiffsfinanzierungen, die vor 2009 abgeschlossen wurden. Hinterher ist man klüger, meint Stefan Ermisch, der erst Jahre später in den Vorstand berufen wurde. Doch löst auch bei ihm mancher Kredit noch »Stirnrunzeln aus«. Die Eigentümer, die beiden von CDU und SPD regierten Länder, hatten ihre Landesbank lange vorher auf einen Expansionskurs geschickt; den dubiosen amerikanischen Investor J.C. Flowers ins Boot geholt - er hält immer noch über fünf Prozent des Kapitals - und einen Börsengang vorbereitet.
Von etwa der Hälfte der faulen (Schiffs-)Kredite hat sich die Bank mittlerweile getrennt. Finanzierungen wurde unter anderem an aus- tralische und US-amerikanische Investmentbanken zu »Marktpreisen«, also Schrottpreisen, verkauft. Andere Darlehen parkten die Länder in einem Sonderfonds namens »hsh portfoliomanagement AöR«. Geblieben sind der HSH rund 15 Milliarden Euro an ausfallgefährdeten Krediten.
Was am Ende am Steuerzahler hängen bleibt, ob gar ein weiteres Bundesland finanziell in Schieflage gerät, hängt von der Entwicklung in der Schifffahrt ab. Geht es den Reedern nach acht Jahren Dauerkrise wieder besser - Ermisch verbreitete hier Hoffnung - sind die Schiffsfinanzierungen der HSH wieder mehr wert als einen Schrottpreis.
Noch mehr hängt von dem Verkaufspreis ab, den Länder und Sparkassen, die sechs Prozent an der HSH halten, von einem Käufer bekommen. Der soll Kern- und Abbaubank zusammen übernehmen. Ob sich dafür jemand findet, bleibt aber abzuwarten.
Hoffnungen ruhen derzeit noch auf der Landesbank in Hannover. Doch die NordLB hat selber genug mit der Sanierung der ebenfalls durch Schiffsfinanzierungen unter Wasser gedrückten Bremer Landesbank zu tun. Der Countdown läuft. Am 31. März endet um Mitternacht die Bieterphase für einen der größten Bankverkäufe der letzten Jahre.
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