Forschen, produzieren, wohnen
Wiederbelebung des Industriestandortes Oberschöneweide kommt voran
Das größte innerstädtische Industriegebiet der DDR, Oberschöneweide, ist in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt zu neuem Leben erwacht. Zwar ist es noch längst nicht wie früher, als mit jedem Schichtwechsel tausende Beschäftigte zu Straßenbahnhaltestellen oder Fabrikeingängen strömten, doch inzwischen wurde der Tramverkehr wieder verdichtet. Vor allem Studierende der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sind hier wochentags unterwegs. Und bedienen auch die meisten Geschäfte in der Hauptstraße das Billigsegment, so sind doch inzwischen fast alle Wohngebäude saniert, stehen in den Nebenstraßen einzelne Neubauten vor der Fertigstellung.
Das »Regionalmanagement Schöneweide« lud am Mittwochabend zu einem Salongespräch ein, bei dem die »Vision 2030« für das Gebiet diskutiert werden sollte. Richtig kreativ in dieser Richtung war Susanne Reumschüssel, Initiatorin des Industriesalons Schöneweide. Im Herbst wird der Peter-Behrens-Bau, dessen charakteristischer Turm die Wilhelminenhofstraße prägt, 100 Jahre alt. Lichtinstallationen sollen den Gebäudekomplex hervorheben, in dem die Nationale Automobil-Gesellschaft (N.A.G.) der Rathenau-Familie nach dem Ersten Weltkriegs schon einmal Elektroautos gebaut hat. Für Reumschüssel könnte die Zukunft der Elektromobilität durchaus auch in Schöneweide stattfinden. Ein Besucherzentrum XXL, in dem Industriekultur und Technik vermittelt werden, gehört zu ihren Wünschen. Auch die Seilbahn der Internationalen Gartenausstellung in Marzahn ließe sich hier verwenden, zur Anfahrt aus Adlershof, vom dortigen Technologiezentrum direkt zum Turm des Behrens-Baus, so Reumschüssel mit einem Augenzwinkern zu ihrer Projektskizze. In der folgenden Diskussion hatten Visionen weniger Platz. Jan IJspeert, Geschäftsführer der Firma BAE Batterien, forderte Planungssicherheit für die Industrieunternehmen. Auf dem Gelände seiner Firma werden seit 1899 Batterien und Akkumulatoren hergestellt, heute arbeiten dort 175 Mitarbeiter. IJspeert, der auch zum Unternehmerkreis Schöneweide gehört, möchte den Standort mit zehn Millionen Euro modernisieren. Sollte aber die Wohnbebauung noch näher rücken, könnte sein Betrieb keine Schichten mehr fahren und keinen permanenten Lkw-Lieferverkehr aufrechterhalten.
Auch das Potenzial der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sollte nicht überschätzt werden, so deren Kanzler Claas Cordes. »Wir sind nicht das Allheilmittel, unsere originären Aufgaben sind Studium, Lehre und Forschung.« Dennoch scheint es, als würde die Hochschule nicht nur sich selbst, sondern auch in Schöneweide weiter einiges bewegen. So soll der Standort Karlshorst mittelfristig aufgegeben werden. Die dann nötigen zusätzlichen Flächen wären vorhanden: »Der Peter-Behrens-Bau würde gut zu uns passen«, so Cordes. Wie aber die absehbaren Mietkosten zu bezahlen wären, weiß der HTW-Kanzler noch nicht.
Eine andere Variante wäre, dass die Hochschule auf den eigenen Flächen neu baut. Ausgeweitet werden sollen auf jeden Fall die Kooperationen, zumal sich 80 HTW-Professoren mit Digitalisierung beschäftigen.
Nach Einschätzung des Regionalmanagements sollte es mit dem Gewerbe in Schöneweide weiter bergauf gehen. Thomas Niemeyer benennt ein Gesamtinvestitionsvolumen von einer Milliarde Euro allein für die denkmalgeschützten und die vorhandenen neueren Gebäude. Man sei mit allen Eigentümern im Gespräch, Gewerbe sei gewollt.
Die ursprünglichen Pläne einiger Investoren für exklusiven Wohnungsbau sind vom Tisch - vielleicht auch deshalb, weil das Bezirksamt Treptow-Köpenick Mitte März den Milieuschutz für insgesamt 8600 Wohnungen in Ober- und Niederschöneweide empfohlen hat.
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