Russland über US-Luftangriff in Syrien vorab informiert
Trump bombarierte Luftwaffenbasis nach mutmaßlichem Giftgaseinsatz / Moskau spricht von »Angriff gegen einen souveränen Staat« / LINKE warnt vor Eskalation
Damaskus. Die Krise in Syrien droht nach einem US-Luftangriff weiter zu eskalieren. US-Präsident Donald Trump ließ als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien attackieren. Dabei kamen nach Angaben der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana neun Zivilisten ums Leben, darunter vier Kinder. Sieben Zivilisten seien verletzt worden, hieß es weiter. Syriens Armeeführung hatte zuvor von sechs Toten gesprochen. Unter ihnen sind nach offiziellen Angaben mindestens drei Armeeangehörige.
Nach Angaben des Pentagons wurden 59 Raketen des Typs Tomahawk abgeschossen. Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet, in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen. Mit dem Giftgasangriff vor wenigen Tagen, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt.
Trump hatte den syrischen Staatschefs Baschar al-Assad für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich gemacht, der international Entsetzen ausgelöst hatte. Dabei kamen Aktivisten zufolge mehr als 80 Menschen ums Leben. Assad hatte die Verantwortung für den Angriff zurückgewiesen.
Der US-Präsident sagte am Rande eines Treffens mit Chinas Staatschef Xi Jinping in Florida, von dem nun ins Visier genommenen Flugplatz sei vor wenigen Tagen ein Angriff mit Giftgas auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun ausgegangen. Dies sei ein »barbarischer Akt« gewesen. »Ich rufe heute alle zivilisierten Nationen auf, sich uns anzuschließen«, sagte Trump. Das Blutvergießen in Syrien müsse beendet werden.
Die Führung in Damaskus hat den US-Angriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt als »dumm und unverantwortlich« verurteilt. Das Verhalten Amerikas offenbare nur dessen »Kurzsichtigkeit und politische und militärische Blindheit für die Realität«, erklärte das Büro von Machthaber Baschar al-Assad am Freitag.
Russland wurde vorab informiert
Der Kreml ist nach eigenen Angaben von den USA vorab über den US-Angriff informiert worden. Das bestätigte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Freitag in Moskau. Unkommentiert ließ er die Frage, ob russisches Militär die Marschflugkörper absichtlich nicht abgefangen habe. Russland hat in Syrien auch das Abwehrsystem S-400 stationiert. Die USA hatten den Stützpunkt in der Nacht zum Freitag wegen eines mutmaßlichen Giftgasangriffs durch syrische Regierungstruppen bombardiert.
Russland stufe den Angriff als »Aggression gegen einen Verbündeten« ein, sagte Peskow russischen Agenturen zufolge. Er warf US-Präsident Donald Trump vor, dem Kampf gegen Terroristen in Syrien geschadet zu haben. Nur die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und andere Extremistengruppen profitierten davon. Peskow rechtfertigte auch die Aussetzung der Vereinbarung, mit der Militärs aus Russland und den USA Zwischenfälle in Syrien vermeiden wollten. »Das Memorandum hat mit dem Angriff heute Nacht seinen Sinn verloren.« Das Risiko von Zwischenfällen am Himmel über Syrien wachse dadurch nicht, es sei wegen des Vorgehens der USA ohnehin hoch.
USA erheben Vorwürfe gegen Russland
US-Außenminister Rex Tillerson erhob schwere Vorwürfe gegen Russland. Russland habe in seiner Verantwortung versagt. Er verwies auf Zusagen Russlands, chemische Waffen in Syrien zu sichern und zu zerstören. Die USA hätten vor dem Luftangriff keine Kontakte mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehabt.
Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums in Washington wurden allerdings russische Militärs von dem bevorstehenden Militärschlag auf den Luftwaffenstützpunkt informiert. Damit habe ausgeschlossen werden sollen, dass russische Soldaten Opfer des Raketenangriffes werden. Das US-Militär habe darauf geachtet, keine Bereiche des Stützpunktes zu treffen, in denen sich Russen aufhielten oder gelagerte chemische Waffen vermutet würden, berichtete der Nachrichtensender CNN. Man gehe davon aus, dass es keine russischen Opfer gebe. Das Pentagon veröffentlichte Videomaterial, das den Abschuss der Tomahawk-Raketen von US-Zerstörern zeigt.
LINKE: Es besteht jetzt »die große Gefahr, dass es weiter eskaliert«
Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bumdestag, Jan van Aken, kritisierte den US-Angriff scharf. Van Aken sagte am Freitag dem SWR: »Was für ein Irrsinn!« Es bestehe jetzt »die große Gefahr, dass es weiter eskaliert«. Er befürchte, »dass es sich hochschaukelt zwischen Russland und den USA«.
Anstelle des US-Angriffs wäre seiner Meinung nach eine unabhängige Untersuchung des Giftgasangriffs vor Ort richtig gewesen, um die Verantwortlichen für die Attacke zu ermitteln. Danach könne in der Weltgemeinschaft überlegt werden, »was die Reaktion ist, aber nicht einseitig einen Militärschlag, und das auch noch auf einen Stützpunkt, wo die Russen auch stationiert waren«.
Van Akens Fraktionskollegin Sevim Dagdelen sagte dem SWR, bisher sei ein Stellvertreterkrieg geführt worden. »Jetzt droht ein Weltkrieg.« Von der Bundesregierung verlangte Dagdelen, sie müsse sich für ein Ende der US-Angriffe einsetzen. Und klar machen, »dass deutsches Territorium dafür nicht zur Verfügung steht«.
Luftschlag löst internationale Kontroverse aus
Auch international löste der US-Luftangriff eine Kontroverse aus. Israel begrüßte das Eingreifen Trumps. »In Worten und Taten hat US-Präsident Trump eine starke und klare Botschaft ausgesandt, dass der Gebrauch chemischer Waffen nicht toleriert werden wird«, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman nannte den US-Luftangriff eine »wichtige, notwendige und moralische Botschaft der freien Welt und US-Führung, dass man die Kriegsverbrechen des Horror-Regimes von Baschar al-Assad gegen unschuldige Zivilisten nicht dulden wird«.
Iran verurteilte den US-Luftangriff dagegen. »Diese militärischen Alleingänge sind gefährlich und schädlich«, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am Freitag. In der derzeitigen Lage würden diese Operationen nur die Terroristen stärken, die Krise in Syrien noch weiter eskalieren lassen und Hoffnungen auf eine politische Lösung noch mehr erschweren, so der Sprecher laut Nachrichtenagentur ISNA. Außerdem seien die Hintergründe des mutmaßlichen Giftgasangriffs vor wenigen Tagen in Syrien immer noch unklar, hieß es von Ghassemi. Agenturen/nd
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