Gefährlich und am Ziel vorbei
Daniel Schwerd warnt vor den schädlichen Nebenwirkungen des geplanten Gesetzes gegen Hasskommentare im Internet
Mit einem neuen Gesetz sollen soziale Medien wie Facebook, Twitter und Co. gezwungen werden, rechtswidrige Postings zu unterbinden.Das eigentlich ehrenwerte Ziel, Hasskommentare und Fake News zu verhindern, wird mit dem vor einer Woche im Bundeskabinett verabschiedeten »Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken« (kurz Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder NetzDG) aber nicht erreicht. Stattdessen wird Rechtsdurchsetzung bei einer Vielzahl von Delikten im Internet privatisiert und eine mehr als fragwürdige Zensurinfrastruktur etabliert, die sehr bald Begehrlichkeiten wecken wird.
Social Media-Anbieter mit mehr als zwei Millionen Kunden sollen nach erfolgtem Hinweis Postings löschen, wenn sie »offensichtlich« gegen eine in einem Katalog aufgelistete Gesetzesnorm verstoßen. Dazu zählt auch die »Verunglimpfung des Bundespräsidenten« oder die »Aufforderung zu Straftaten«. Anschließend sollen die Unternehmen von sich aus verhindern, dass diese Postings erneut erscheinen. Reagieren sie nicht, können Bußgelder verhängt werden.
Fake News, Hasspostings, Cybermobbing - all diese Begriffe werden in der Debatte derzeit wild durcheinander geworfen. Die Gefahr dieser Phänomene sollte man beileibe nicht herunterspielen: Der junge syrische Geflüchtete Anas Modamani etwa wurde mit Hass überzogen, nachdem ein Selfie von ihm mit Kanzlerin Angela Merkel für die Behauptung missbraucht wurde, er sei ein Terrorist. Letztlich können Fake News und Cybermobbing Existenzen vernichten, Gesundheit und Leben gefährden.
Es ist jedoch äußerst schwierig, sie klar abzugrenzen. Je nach Definition kann auch schnell mal Satire oder Ironie als Fake News eingestuft werden. Man denke nur an die Nachrichten des »Postillon«, die immer wieder von zahlreichen LeserInnen ernst genommen werden.
Wir müssen bei jeder Maßnahme überlegen, ob sie den vorgesehenen Zweck überhaupt erreicht und welche schädlichen Nebenwirkungen sie hat. Bei diesem Gesetz würde ich den Nutzen klar verneinen. Beleidigung, Verleumdung, falsche Tatsachenbehauptung, Mobbing und Stalking - all das ist bereits verboten. Im Internet wie außerhalb. Rechtliche Handhabe gibt es in solchen Fällen längst. Doch sie hält niemanden davon ab, solche Postings zu veröffentlichen - daran wird auch ein neues Gesetz nichts ändern. Die Täter agieren ja in der Regel aus der vermeintlichen Anonymität heraus.
So richtet sich dieses Gesetz nur gegen erkennbar illegale Postings. Hassbotschaften und Fake News sind aber meist nicht klar illegal, sondern bewegen sich allenfalls im Randbereich, werden also von dem neuen Gesetz gar nicht umfasst.
Die angedrohten Bußgelder werden Social-Media-Anbieter dazu bewegen, lieber einmal mehr als einmal zu wenig zu löschen. Das Gesetz wird so sicherheitshalber besonders weit ausgelegt. Nicht jede »offensichtlich« illegale Aussage ist vorsätzlich und wird tatsächlich geahndet. Und um die Wiedereinstellung einmal gelöschter Nachrichten zu verhindern, werden die Unternehmen automatische Filter installieren, mit allen bekannten Nachteilen von Fehlfilterung und Overblocking.
Eine staatliche oder privatwirtschaftliche Vorabkontrolle von Nachrichten birgt die unmittelbare Gefahr der Zensur. Diesen spiegelglatten Weg sollten wir nicht gehen. Effektiver wäre vielmehr, wenn Polizei und Justiz bei der Rechtsdurchsetzung gut ausgerüstet wären und zügig arbeiten würden, wenn von Hass im Internet Betroffene ernst genommen würden und unsere Solidarität erführen. Und es ist wichtig, dass die Betreiber der sozialen Medien mitwirken und sich nicht hinter irgendwelchen Firmenstandards verschanzen.
So ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jedes Unternehmen eine standardisierte Möglichkeit anbieten müsste, wie Betroffene falsche Nachrichten oder Hass melden können, und es anschließend über die weitere Bearbeitung transparent informieren müsste. Vor allen Dingen aber muss Medienkompetenz vermittelt werden. Damit ist nicht nur technische Kompetenz gemeint, sondern der kritische Umgang mit Medien und Inhalten.
All das wäre wirksamer als irgendwelche neuen Gesetze und könnte sofort umgesetzt werden. Regulierung nach dem Motto »Weil nicht sein kann, was nicht sein darf« ist in jedem Fall der falsche Weg.
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