»Wir sind noch am Leben«
Der FC Bayern macht sich Mut vor dem Rückspiel gegen Real Madrid
Neulich hat Philipp Lahm von seiner Abschiedstour durch die Fußballstadien erzählt. Er ertappe sich immer wieder bei dem Gedanken, »dass ich irgendetwas zum letzten Mal mache«. Am Samstag zum Beispiel hat der Kapitän des FC Bayern seinen finalen Auftritt in Leverkusen - wenn ihn Trainer Carlo Ancelotti überhaupt aufstellt. Denn die Bundesligapartie beim kriselnden Werksklub Bayer taugt in erster Linie zum Wundenlecken, das am Mittwochabend innerhalb einer Halbzeit verloren gegangene Selbstbewusstsein wieder aufzupäppeln und auch dazu, Leistungsträger für das wichtigere Duell drei Tage später zu schonen. Denn mit den Gedanken sind die Bayern schon beim Viertelfinalrückspiel gegen Real Madrid. Dass Lahm zum letzten Mal im Bernabeu-Stadion spielen wird, stand ja schon fest, aber nicht, dass ihm dort der Abschied von der Champions League blüht, der war für Anfang Juni in Cardiff vorgesehen, beim Finale. Aber nach dem 1:2 im Hinspiel ist die Chance nicht sehr groß, überhaupt zum sechsten Mal hintereinander die Runde der besten vier europäischen Mannschaften zu erreichen.
Vor dem Bundesliga-Alltag in Leverkusen sind die Bayern damit beschäftigt, die Gründe für die desaströse Leistung in der zweiten Halbzeit zu analysieren. Für Ancelotti waren »die kleinen Details« wie der verschossene Handelfmeter von Arturo Vidal oder die gelb-rote Karte von Javier Martinez ausschlaggebend für die Niederlage gegen seinen früheren Verein. Dass ein Trainer die eigene Arbeit und die seiner Mannschaft nicht öffentlich in Frage stellt, ist verständlich. Aber auch Ancelotti wird festgestellt haben, dass ein paar größere Details nicht gestimmt haben.
Die Lage in der Liga hat womöglich beim Rekordmeister zu einer Fehleinschätzung geführt. Die Leichtigkeit, mit der der FC Bayern die Konkurrenz - mit Ausnahme von Hoffenheim - beherrscht, hat den Anschein erweckt, dass die Münchner in Bestform sind. Zumal sich die Mannschaft in dieser Rückrunde nur mit kleineren Verletzungen herumschlagen musste, die wenigen Ausfälle ließen sich stets kompensieren. Aber dann erwischte es ausgerechnet vor dem Vergleich mit Real Robert Lewandowski und Mats Hummels. Der Ausfall des Stürmers wog auf dem ersten Blick schwerer, weil er sich nicht ersetzen lässt, vor allem nicht, wenn Thomas Müller plötzlich den Stoßstürmer geben soll wie am Mittwoch. Es habe auch in der ersten Halbzeit »der Biss nach vorne, diese letzte Überzeugung gefehlt«, gab Arjen Robben zu.
In der Abwehr vertrat Jerome Boateng Hummels, aber der Weltmeister ist nach langer Verletzungspause noch nicht fit und gegen einen Weltklasseangriff wie der von Real mit dem Doppeltorschützen Cristiano Ronaldo sowie Karim Benzema und Gareth Bale im Moment ein Sicherheitsrisiko, wie sich spätestens nach dem Platzverweis des Innenverteidigerkollegen gezeigt hatte. Am Dienstag ist Martinez gesperrt, und so wie es aussieht muss Ancelotti auf Boateng als Abwehrchef vertrauen.
»Wir brauchen kein Fußballwunder«, sagt Müller, »sondern wir brauchen eine Topleistung«. Er ist sicher, dass die Mannschaft »die Qualität, die Leidenschaft und das Rüstzeug« habe, um in Madrid zu gewinnen. Es mag nach dem Hinspiel wie ein Rufen im dunklen Wald klingen, aber Aufgeben ist ja auch keine Option. »Wir sind noch am Leben«, versicherte Ancelotti nach dem akuten Schwächeanfall seiner Mannschaft.
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