Daseinsvorsorge in privater Hand

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt baut weiter auf ÖPP-Projekte - vor allem bei den Autobahnen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die A7 ist die längste deutsche Bundesautobahn. Auf einer Strecke von fast 1000 Kilometern wird immer irgendwo irgendwas gebaut. Gerade wird in Hamburg die A7 auf mehreren Kilometern überdeckelt, in den Kasseler Bergen wird sie auf acht Spuren verbreitert und zwischen Bockenem und Göttingen soll sie modernisiert werden. Diese Modernisierung in Niedersachsen hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als »Öffentlich-Private Partnerschaft«, kurz ÖPP, ausgeschrieben. Das niedersächsische Verkehrsministerium hatte den Plan zwar wegen befürchteter Mehrkosten abgelehnt, sich aber nicht durchsetzen können.

Der Vertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einem Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro wurde nun zwischen dem Konsortium »Via Niedersachsen« und dem Bund unterzeichnet. Die private Projektgesellschaft aus Berlin - Bauunternehmen, Banken und Investoren - erhält als Gegenleistung eine Beteiligung an den Einnahmen aus der LKW-Maut. Damit steht dem für den 1. Mai geplanten Projektstart nichts im Wege.

Von »Geldverschwendung« spricht Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). »Der Bundesverkehrsminister macht einen Fehler - wieder mal, und verschwendet wissentlich Steuergelder.« Bereits im Jahr 2013 hatte der Bundesrechnungshof festgestellt, dass dieses Projekt als ÖPP in der Bauphase zwölf Millionen Euro teurer wird als bei einer herkömmlichen Ausführung. Auch andere ÖPP-Projekte wurden von den Bonner Rechnungsprüfern kritisiert.

Bei einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (englisch: Public Private Partnership, PPP) schließt die öffentliche Hand als Auftraggeber einen langjährigen Vertrag mit einem privaten Partner als Auftragnehmer, um gemeinsam ein Projekt umzusetzen. Außer im Verkehrsbereich werden ÖPP vor allem im Hochbau eingesetzt, für Verwaltungsgebäude, Kliniken oder Schulen. Das finanzielle Volumen der etwa 250 Projekte in Deutschland beträgt nach Angaben der Bauwirtschaft rund zehn Milliarden Euro.

Jeder Vertragspartner übernimmt vorher definierte Aufgaben. Grundsätzlich wahrt die öffentliche Hand dabei ihre hoheitliche Funktion. In der Praxis begibt sich der Staat aber in eine gewisse Abhängigkeit von den Privaten. Jeder ÖPP-Vertrag ist ein riesiges und daher pannenanfälliges Vertragswerk, mit dem sich der Private verpflichtet, nicht nur den Neu- und Ausbau durchzuführen, sondern auch Betriebs- und Erhaltungsleistungen über Jahrzehnte zu erbringen.

Ende der 1990er Jahre wurden erste Pilotprojekte auf die Straße gebracht. Seit 2007 baut, betreibt und erhält so ein niederländisch-französisch-deutscher Konzessionsnehmer die A8 zwischen Augsburg und München. Eine deutsch-britische Gesellschaft betreibt seit 2008 ein 70 Kilometer langes Teilstück der Autobahn zwischen Hamburg und Bremen. Der Bund, heißt es einer Studie aus Dobrindts Verkehrsministerium, habe »überwiegend positive Erfahrungen« mit ÖPP gemacht.

Auch in der Bauindustrie zeigt man sich zufrieden und spricht von »überaus positiven Erfahrungen«. Anderseits gelten Projekte wie der »Herrentunnel« in Lübeck oder die Warnowquerung in Rostock wirtschaftlich als Flop. Bis heute sind die Passagen weit hinter den Prognosen zurückgeblieben: Planer rechneten mit täglich rund 25 000 Fahrzeugen - doch 2016 durchfuhren nur 11 500 Autos pro Tag den achthundert Meter langen Tunnel. In Niedersachsen stellt Minister Lies sich außerdem die Frage, was mit den bisherigen Beschäftigten der Autobahnmeisterei wird. »Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Nachsehen«, beklagt er. Erst die Pkw-Maut, dann der Aufbau einer Bundesinfrastrukturgesellschaft und jetzt dieses unsinnige ÖPP-Projekt, klagt er. »Der Bund zieht sich immer mehr aus seiner Verantwortung zurück.« Das Autobahnnetz sei aber Teil der Daseinsvorsorge und gehöre deshalb in staatliche Hand.

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