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Massives Polizeiaufgebot eskortiert Kiezdemo

Rund 1500 Menschen forderten den Erhalt bedrohter linker Projekte und wandten sich gegen Immobilieninvestoren

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Markiges Auftreten, radikale Slogans und ein massives Polizeiaufgebot: Von Friedrichshain über Kreuzberg nach Neukölln marschierten am Samstagabend rund 1500 Menschen und forderten den Erhalt bedrohter linker Projekte. Unter anderem wendeten sie sich gegen das Vorhaben der CG-Gruppe in der Rigaer Straße 71-73, die dort mit dem »Carré Sama-Riga« auf rund 5000 Quadratmetern einen Wohn- und Gewerbekomplex errichten will (»nd« berichtete).

Als bunte Kiezdemo angekündigt, war die Demonstration jedoch dominiert von Menschen in schwarzen Regenjacken, die im vorderen Teil der Demo aus Transparenten einen Block gebildet hatten. Gleich zu Beginn zündeten die Demonstrierenden mehrere Böller und Feuerwerksraketen, wodurch nach Angaben der Polizei zwei Beamte leicht verletzt wurden.

In Lautsprecherdurchsagen während der Demo beklagten die Protestierenden, dass die Menschlichkeit und Vielfalt in den Kiezen den Bach runtergingen. In den Seelen der Menschen gäbe es eine Brutalisierung und Verflachung, wodurch viele nur noch in Angst verharrten. Dieser »Gesamtwahnsinn« gehe wie eine Planierraupe durch die Stadt. Wogegen der Wunsch nach der Zerstörung der Ordnung bei vielen weiter wachse. In Sprechchören forderten die Demonstrierenden »Bullenschweine raus aus der Rigaer!«. Mit »A-Anti-Antikapitalista« machten sie auf die Proteste gegen den bevorstehenden G20-Gipfel aufmerksam.

Die Polizei begleitete die Demonstration von Anfang an mit einem Spalier aus behelmten Kräften und mehreren Reihen Bereitschaftspolizisten vor dem Fronttransparent, das dadurch für Außenstehende fast nicht zu erkennen war. In den Seitenstraßen postierten sich Eingreif- und Festnahmetrupps der Polizei. Immer wieder gab es Rangeleien zwischen Polizisten und der ersten Reihe der Demo.

Mehrere linke Projekte in Friedrichshain begrüßten die Ankunft der Demo mit Feuerwerk, Böllern und geschwenkten Fahnen. Von Friedrichshain aus führte die Route über die Oberbaumbrücke und den Görlitzer Park an den von der Räumung bedrohten Projekträumen in der Friedelstraße 54 vorbei und endete am Hermannplatz. Bei kaltem Nieselregen hielten allerdings nur wenige hundert Demonstrierende bis zur Abschlusskundgebung durch.

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Kerstin Philipp, sagte, dass die Demo trotz der verletzten Beamten »das Vorbild für den 1. Mai« sein sollte. Allerdings dürfe man nicht vergessen, »dass wieder eine enge Begleitung nötig war, um die Lage zu beruhigen und Eskalation zu verhindern«.
Seit Monaten machen vor allem Bewohnerinnen und Bewohner des Friedrichshainer Nordkiezes mobil gegen das »Carré Sama-Riga«. Das Bauvorhaben führe zu einer Verdrängung von Kleingewerbe, die Wohnungen könnten sich mit rund 12 bis 13 Euro pro Quadratmeter viele Leute aus dem Kiez nicht mehr leisten, so ihre Kritik. Im Demoaufruf schreiben Bewohner der »Rigaer 94«: »Uns geht es nicht darum, dass sich unser Wohnumfeld nicht verändern darf, die Frage ist immer, wie und auf wessen Kosten. Das, was hier vollzogen wird, nennen wir Zerstörung.«

Dem Kiezladen »Friedel 54« in Nord-Neukölln hatte die Eigentümerin Pinehill zu Ende März gekündigt. Der Kiezladen bietet seit vielen Jahren ein offenes Angebot für und von Nachbarinnen und Nachbarn mit Mietrechtsberatung, Veranstaltungen, Bar, Umsonstladen und Siebdruckwerkstatt. Seit der Kündigung wehren sich die Nutzerinnen und Nutzer des Ladens mit vielfältigen Aktionen gegen eine Räumung.

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