Euro-6-Diesel überschreiten Stickoxid-Grenzwert um Vielfaches
Bundesumweltamt: Gesamte deutsche Diesel-Flotte schmutziger als angegeben / Ermittlungen in Frankreich gegen Autokonzern PSA wegen Abgaswerten
Berlin. Moderne Diesel-Pkw überschreiten im Alltag die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide um ein Vielfaches. Das zeigen Tests und Berechnungen für das Umweltbundesamt (UBA), deren Ergebnisse der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag vorlagen. Demnach stoßen Diesel, die der aktuell gültigen Abgasnorm Euro 6 entsprechen, auf der Straße im Schnitt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus - der Grenzwert liegt aber bei nur 80 Milligramm. Rechtlich reicht es bislang allerdings, wenn die Diesel unter Laborbedingungen die EU-Vorgaben erfüllen.
Um den Wert zu ermitteln, wurden laut UBA anders als bisher für betriebswarme Motoren Messungen bei allen in Deutschland typischen Außentemperaturen berücksichtigt. An kühlen Tagen steigt der Stickoxid-Ausstoß stark an. Die Euro-6-Norm ist die strengste der Abgasnormen in der Europäischen Union. Seit September 2014 gilt sie für alle neuen Pkw-Typen und seit September 2015 für alle neuen Pkw.
Allerdings werden die Abgaswerte bisher nur im Labor geprüft. Von September 2017 an werden sie schrittweise auch auf der Straße mit einem sogenannten RDE-Prüfverfahren gemessen. Die oft sehr großen Unterschiede zwischen Abgaswerten im Labor und auf der Straße wurden erst durch den Abgas-Skandal bei VW einer breiten Öffentlichkeit bekannt, obwohl Umweltschützer schon länger darauf hinwiesen.
Die gesamte deutsche Diesel-Flotte aus neueren und älteren Autos ist dem UBA zufolge viel schmutziger als angenommen. Bisher sei man davon ausgegangen, dass 2016 im Schnitt 575 Milligramm Stockoxide - auch NOx genannt - aus dem Auspuff kamen. Laut UBA waren es in Wirklichkeit aber durchschnittlich 767 Milligramm.
Gemessen wurden demnach unter anderem die Abgaswerte von 25 Diesel-Pkw der Euro-6-Norm und 27 Euro-5-Modellen, und zwar unterschiedliche Fahrzeuggrößen vom Kleinwagen bis zum SUV-Geländewagen. »Die neuen Werte bilden die Diesel-Pkw-Emissionen in Deutschland repräsentativ ab«, heißt es beim Umweltbundesamt.
Am schmutzigsten seien bei Einberechnung der Temperaturen Euro-5-Diesel mit einem NOx-Ausstoß von durchschnittlich 906 Milligramm pro Kilometer - das Fünffache des EU-Grenzwerts von 180 Milligramm. Euro-4-Diesel, für die ein Grenzwert von 250 Milligramm gilt, stoßen demnach im Schnitt 674 Milligramm Stickoxide aus.
Ermittlungen in Frankreich wegen manipulierten Abgaswerten
Im Zusammenhang mit möglicherweise manipulierten Abgaswerten ermittelt die Staatsanwaltschaft in Frankreich laut einem Medienbericht nun auch gegen den Autobauer PSA. Es gebe den Verdacht der Täuschung, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Justizkreise. Das Unternehmen äußerte sich am Dienstag zunächst nicht dazu. Der PSA-Konzern will den zu General Motors gehörenden Autobauer Opel übernehmen.
Die Pariser Wettbewerbsbehörde DGCCRF hatte nach dem Abgas-Skandal bei Volkswagen Untersuchungen aufgenommen. Sie nahm Stickoxid-Emissionen bei Fahrzeugen von etwa einem Dutzend Hersteller ins Visier, um mögliche Verbrauchertäuschungen aufzuspüren. Im Februar hatte die Behörde ein Dossier mit Erkenntnissen zu PSA an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Offen war bislang, ob die Justiz auch Ermittlungen aufnimmt.
Bei VW, Renault und Fiat Chrysler (FCA) hatten die Wettbewerbshüter bereits die Justiz angerufen, die jeweils Ermittlungen aufnahm. Im Fall von Opel hatte die Behörde mitgeteilt, keine Hinweise auf Verbrauchertäuschung entdeckt zu haben. Agenturen/nd
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