Der Wille allein reicht nicht
Auch beim 1:3 in Stuttgart wird der 1. FC Union Berlin seinen Aufstiegsambitionen nicht gerecht
Am Dienstag kehrte die Mannschaft des 1. FC Union nach Berlin zurück. Von der positiven Stimmung, mit der sie die Reise nach Stuttgart angetreten hatte, ist nicht mehr viel übrig. Geblieben ist nach dem 1:3 beim VfB am Montagabend nur Zweckoptimismus. »Wir haben immer noch Tuchfühlung zu Platz zwei und drei«, sagte Unions Trainer Jens Keller. Nur drei Punkte trennen den Vierten aus Berlin von Eintracht Braunschweig und Hannover 96, sechs sind es zu Spitzenreiter Stuttgart.
Etwas ungenauer als beim Blick auf die Tabelle wurde Keller bei der Spielanalyse. »Einen Tick besser« sei der VfB gewesen. Aber nicht nur die Kulisse von 60 000 Zuschauern, sondern auch das Spiel auf dem Platz verriet, dass die Gastgeber ein gefühlter Erstligist sind, während die Köpenicker in ihrer bislang besten Zweitligasaison erstmals ernsthaft um den Aufstieg mitspielen. Die Stuttgarter Mannschaft ist individuell besser besetzt, hat trotz vieler junger Spieler mehr Erfahrung und ist anscheinend auch dem Erfolgsdruck gewachsen. »Wir wollen aufsteigen«, sagte Unions Kapitän Felix Kroos etwas trotzig nach der Niederlage. Der unbedingte Wille allein reicht aber nicht.
Die Gegentore stehen nicht unbedingt für den Qualitätsunterschied. Beim Stuttgarter Führungstreffer entschied der Schiedsrichter zu unrecht auf Freistoß. Bei dessen direkter Ausführung durch Alexandru Maxim aus 20 Metern sah Unions Torwart Daniel Mesenhöler zudem nicht wirklich gut aus. Vor dem dritten Gegentreffer unterlief dem sonst immer zuverlässigen Abwehrchef Toni Leistner ein haarsträubender Fehler, den der eingewechselte Daniel Ginczek ausnutzte. Das Stuttgarter Tor zum 2:0 zeigte am ehesten die Qualitäten des VfB: Balleroberung durch geschicktes Pressing und kompromisslose aber faire Zweikampfführung im Mittelfeld - schnelles Umschaltspiel nach vorn - zwei sehr gut gespielte Pässe - ein perfekter Abschluss von Simon Terodde zu seinem 20. Saisontreffer.
Im Unterschied zum variablen Offensivspiel der Stuttgarter konnten die Berliner kaum Druck aufbauen, hatten dadurch nur wenige Offensivaktionen und in der Abwehr kaum Entlastung. Selbst der zwischenzeitliche Anschlusstreffer entsprang keiner zwingenden Aktion: Nach einer langen Flanke aus dem Halbfeld köpfte Sebastian Polter den Ball ins Netz. Direkt danach und in manch anderen Phasen hielten die Berliner durchaus dagegen. Und in der zweiten Halbzeit war es auch ein gutes Zweitligaspiel, letztlich aber mit einem verdienten Verlierer: 1. FC Union.
Vor vier Wochen war das noch anders. Die Siegesserie vor der Länderspielpause hatte eine eingespielte Stammelf herausgeschossen. Plötzlich greifen Automatismen nicht mehr, stimmen Laufwege und Abstände im eigenen System nicht mehr. Denn auch das ist der Unterschied zu Spitzenmannschaften wie Stuttgart: Der Kader ist nur im Optimalfall, also ohne Verletzungen, Sperren oder Formverlust, in der Lage, um den Aufstieg in die erste Liga mitzuspielen.
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