Der Weg durchs Nadelöhr
Ellen Wesemüller über Strategien, fehlende Erzieher zu ersetzen
Das Entwicklungsgespräch - wird verschoben. Das Elterninterview vor der Eingewöhnung - hat nicht stattgefunden. Und rausgegangen sind die Kleinen das letzte Mal vor zwei Wochen. Klingt bekannt? Schuld daran sind nicht nachlässige Erzieher, sondern der Mangel an Erziehern - und das, obwohl sie zum August einen besseren Betreuungsschlüssel erkämpft hatten. Denn es herrscht Fachkräftemangel.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) steckt hier in einem Dilemma, das geben sogar ihre Kritiker zu. Abgesehen von den Qualitätsstandards, die so nicht zu erreichen sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ihr die ersten Klagen von Eltern ins Haus flattern: weil Kitaplätze zwar theoretisch vorhanden sind, aber praktisch nicht vergeben werden können, da Personal fehlt. Auch viele Eltern mögen angesichts der Lage geneigt sein, der kurzfristigen Lösung der Bildungssenatorin wohlwollend gegenüberzustehen. Und wären Sozialassistenten nicht tatsächlich geeignetere Betreuer als Eltern, Köche oder Praktikanten? Die Sozialassistenten selbst sind frustriert über fehlende berufliche Perspektiven und können sich eine höhere Ausbildung aufgrund des schlechten Gehalts oft nicht leisten.
Doch die Befürchtung der Beschäftigten ist berechtigt. Wenn man zulässt, dass ein Drittel der Angestellten keine Erzieher sind, und sich das sogar finanziell lohnt, läuft man Gefahr, den Beruf weiter zu entwerten. So wird man des Fachkräftemangels nicht Herr, sondern verschärft ihn. Das Berliner Bildungsprogramm wollte anderes: Ein Zeichen setzten, dass frühkindliche Bildung mehr ist als das, was jeder kann. Wer bilden will, braucht selbst eine Ausbildung. Der Weg durchs Nadelöhr führt nur über besseren Lohn.
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