Saurier oder bunter Hahn
DGB fordert Strukturwandel in der Lausitz / Bald gemeinsame Wirtschaftsförderung
Vielleicht haben Gewerkschafter ein Faible für Liedermacher. Solche wie Gerhard Gundermann. »Die braune Kohle von hier will keiner mehr«, klagte der singende Baggerfahrer aus dem Lausitzer Revier in seinem Lied über die Grube »Brigitta« schon 1992. Drei Jahre später richteten die DGB-Landesbezirke Sachsen und Brandenburg erstmals eine Lausitzkonferenz aus. Es ging darum, die Region länderübergreifend zu entwickeln - und auch über die Zeit nach der Kohle nachzudenken. Als Motto konnte eine Zeile aus Gundermanns Lied »Meines Vaters Land« dienen: Wird die Lausitz ein »übrig gebliebener Saurier oder ein bunter Hahn, der kräht«?
Mit trägen, zum Aussterben verdammten Riesenechsen wollte schon vor knapp zwei Jahrzehnten keiner zu tun haben - auch die Politik nicht. Im Jahr 1999 stellten die Landesregierungen aus Dresden und Potsdam ein gemeinsames Lausitzkonzept in Aussicht. Es wurde freilich nie geschrieben. So kommt es, dass der DGB bei der inzwischen 13. Lausitzkonferenz am Mittwoch in Hoyerswerda einen Forderungskatalog verteilte, der fast identisch mit dem von 1995 ist. Man habe akzeptieren müssen, sagt Sachsens DGB-Chefin Iris Kloppich, »dass der Fortschritt eine Schnecke ist«.
Immerhin: Jetzt scheint die Schnecke in Fahrt zu kommen. Der Grund liegt auf der Hand: Das Ende der Kohleverstromung ist absehbar. Noch beschäftigt der Kohleförderer LEAG im Revier 8000 Menschen; etwa dreimal so viele arbeiten bei Zulieferern. Doch das Unternehmen mit tschechischen Eigentümern hat unlängst erklärt, die Tagebaue Nochten II und Jänschwalde Nord nicht mehr aufzuschließen und in Jänschwalde auch kein neues Kraftwerk mehr zu bauen. Zwar werden die Jobs im Revier noch eine Weile gebraucht. »Wir dürfen das Schiff nicht versenken, bevor der Hafen erreicht ist«, sagt Albrecht Gerber, der SPD-Wirtschaftsminister in Brandenburg, der deshalb auch die jüngste Debatte um strengere Grenzwerte für Kohlekraftwerke kritisiert. Klar ist indes, dass man sich nach Alternativen umsehen muss, sagt sein sächsischer Ressortkollege Martin Dulig - wobei der SPD-Mann zu Vielfalt mahnt: Die Zukunft »liegt nicht allein in Tourismus, in Naturreservaten oder nur in einer Energieregion«.
Überlegungen dazu, was die Lausitz voranbringen könnte und wie der Strukturwandel anzugehen ist, gibt es viele - die indes bisher unkoordiniert in zahllosen Gremien und Zirkeln geäußert wurden: in Unternehmerrunden und bei Kammern, von Kommunalpolitikern oder Parteien, die je eigene Konzepte schrieben. Das scheint sich wegen des gewachsenen Handlungsdrucks gerade zu ändern. Zwar wird es Strategien der einzelnen oder gar beider Bundesländer für die Entwicklung der Region auch in Zukunft nicht geben: Man brauche in der Lausitz »keinen Masterplan, der von Dritten geschrieben wird«, sagt Dulig. Ein stärker abgestimmtes Vorgehen ist jedoch absehbar.
So arbeiten nicht nur seit einiger Zeit Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker in einer »Lausitzrunde« zusammen; vielmehr soll nach etwas schleppender Vorarbeit am 1. Juli auch eine länderübergreifende Gesellschaft namens »Wirtschaftsregion Lausitz GmbH« gegründet werden, der je zwei Landkreise in Sachsen und Brandenburg sowie die Stadt Cottbus angehören. Sie soll in Zukunft koordinierte Wirtschaftsförderung beidseits der Ländergrenze betreiben. Die Gesellschaft erhält dafür sieben Millionen Euro an Fördergeld. Ob sich die Länder selbst auch beteiligen, müsse noch geklärt werden, sagt Gerber. Ungeachtet dessen werde es erstmals einen Ansprechpartner geben, der die »inhaltliche Entwicklung« in der Region vorantreibt, sagt Dulig, der freilich auch beteuert, dass sich die Länder nicht aus ihrer Verantwortung stehlen wollten: Die politische Steuerung und die Interessenvertretung für die vom Strukturwandel herausgeforderte Lausitz gegenüber dem Bund »blieben unsere Aufgabe«. Beide Länder wollen dem unter anderem durch ein Forderungspapier gerecht werden, mit dem der Bund zu Hilfen für jene Regionen gedrängt werden soll, die besonders von den Folgen der Energiewende betroffen sind. Das Papier soll voraussichtlich bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung der Regierungen aus Dresden und Potsdam verabschiedet werden, die für Juni geplant ist. Als gemeinsames Wappentier würde sich empfehlen: ein bunter Hahn, der kräht.
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