Nicht alle lieben Leierkästen
Rostock will Regeln für Straßenmusik lockern - Kaufleute befürchten lautstarke Belästigung
Mit Pauken und Trompeten werden Straßenmusiker womöglich demnächst in Rostock zu hören sein. Den Liebhabern solcher Klänge zur Freude, Kaufleuten zum Graus. Sie ärgern sich über einen Entwurf der Stadtverwaltung, die auch laute Instrumente wieder erlauben will. Erst im Herbst vergangenen Jahres hatte die Hansestadt im Norden Mecklenburg-Vorpommerns das Erschallen von Posaunen, Saxophonen und Trommeln verboten, sogar Klaviere und Konzertflügel wurden per Sperrkatalog verbannt.
Zu jener Order hatten nicht zuletzt wiederholte Klagen von Einzelhändlern und Anliegern geführt. Die Musik störe, belästige Kaufleute und Kunden, werde viel zu lange an ein und demselben Ort dargeboten und das nicht selten talentfrei, einfach schlecht. Die Stadt reagierte auf die Beschwerden, untersagte laute Instrumente und erließ weitere Restriktionen. So darf draußen nur noch bis 20 Uhr Musik gemacht werden, und wenn Gruppen das tun, dürfen sie höchstens vier Akteure zählen.
Kaum war jener Erlass unter den Musikern bekannt geworden, regte sich deren Protest. Eine Demonstration gab es, das Credo ihrer Teilnehmer: Straßenmusik gehöre zu einer lebendigen Stadt. Zudem seien Auftritte auf Straßen und Plätzen besonders für junge Menschen eine gute Gelegenheit, sich mit ihrem musikalischen Können erstmals vor Publikum zu zeigen.
Argumente, die im Rathaus nicht ungehört verhallten. Die Verwaltung bemühte sich um einen Kompromiss, der sowohl den Musikern als auch den Händlern entgegenkommen sollte. Lockerer als die derzeit herrschenden strengen Vorschriften sollen die neuen Richtlinien sein und wieder alle Instrumente erlauben, allerdings einen Lautstärkepegel von höchstens 80 Dezibel vorschreiben. Eine Mittagspause müssen die Musiker dem Konzept zufolge nicht einhalten, wohl aber dürfen sie nur die ersten 30 Minuten einer Stunde spielen. Das Gruppenlimit soll aufgehoben und das Musizieren größerer Ensembles damit gestattet werden. Die Kaufleute sehen in den geplanten Regeln allerdings keinen Kompromiss. Sie befürchten Musik, die in Lärm ausartet. Höchstens 75 Dezibel seien hinzunehmen, meint der Präsident der Industrie und Handelskammer Rostock, Claus Ruhe Madsen. Auch sollte von den Musikern ein Qualitätstest gefordert werden, zitiert die »Ostsee-Zeitung« den IHK-Chef.
Solch ein Test wird beispielsweise in München verlangt. Wer dort musizieren möchte, muss erst bei der Verwaltung vorspielen. Und nur, wenn die amtlichen Zuhörer davon überzeugt sind, dass der Musikant oder die Musikantin das jeweilige Instrument beherrscht, gibt es für das öffentliche Auftreten eine Genehmigung. In vielen anderen Städten wird eine förmliche Erlaubnis nur verlangt, wenn jemand neben seinem Instrument einen Verstärker einsetzen möchte.
Auch ohne solche technische Hilfsmittel soll die Straßenmusik nicht zu laut sein. Darin sind sich die meisten Städte einig und verbieten demzufolge eine ganze Reihe von Instrumenten. In Hamburg darf beispielsweise nicht in Dudelsäcke geblasen werden, in Berlin nicht in Trompeten. München hat sogar Leierkästen auf die schwarze Liste gesetzt. Ob das auch Rostock tut, wo Händler dauernde Drehorgelbeschallung als besonders lästig einstufen, oder ob das liberalisierte Reglement der Stadt verwirklicht wird, bleibt nun abzuwarten.
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