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Venezuelas Militär ist nicht aus einem Guss

Die venezolanische Wissenschaftlerin Francine Jácome im Gespräch über die Bedeutung der Armee im internen Konflikt

  • Jürgen Vogt
  • Lesedauer: 4 Min.

Frau Francine Jácome, wie fest sitzt Präsident Nicolás Maduro noch in seinem Amtssessel?'
Die seit Anfang April anhaltenden Proteste auch der unteren Schichten zeigen, dass der Präsident die Unterstützung seiner eigentlichen Basis verloren hat. Nach den jüngsten Umfragen halten 80 Prozent der Bevölkerung einen Regierungswechsel noch in diesem Jahr für notwendig. Maduro kann sich jetzt nur noch auf drei Akteure stützen: Die Militärs, ohne die er die Macht längst verloren hätte. Die paramilitärischen bewaffneten Gruppen, die sogenannten Colectivos. Und die von ihm kontrollierten Institutionen Oberstes Gericht und Nationaler Wahlrat.

Aber geht nicht gerade von den Militärs die größte Gefahr für ihn aus?
Historisch betrachtet haben die Streitkräfte in Venezuela schon immer eine vorherrschende Rolle gespielt. Ob es zu einem Militärputsch kommt, ist momentan nicht vorherzusehen und aus der Perspektive der Zivilgesellschaft auch nicht wünschenswert. Die militärische Intervention ist auch nicht die einzige Alternative für einen Wechsel. Auch wenn sich gegenwärtig der Konflikt verschärft und die Gewalt zunimmt, es gibt noch immer die Möglichkeit von Verhandlungen oder einem Dialog zwischen der Regierung und der Opposition. Das von der Opposition dominierte Parlament hat mit Nachdruck die Militärs an ihre in der Verfassung festgelegten Pflichten erinnert. In Artikel 328 heißt es, »Die nationalen Streitkräfte bilden ihrem Wesen nach eine professionelle Institution, die ohne politische Ausrichtung vom Staat aufgestellt ist, …« Gleichfalls hat der Parlamentspräsident bestätigt, dass es Kontakte zu den Streitkräften gibt.

Zur Person

Francine Jácome ist Anthropologin und Politologin. Derzeit steht die Venezolanerin als Exekutivdirektorin dem Venezolanischen Institut für Soziale und Politische Studien (INVESP) in Caracas vor. Über die Rolle der Armee in Venezuelas Geschichte und ihre aktuelle Bedeutung im Konflikt zwischen Regierung und Opposition sprach mit Jácome für »nd« Jürgen Vogt.

Wie geeint sind die Streitkräfte?
Die venezolanischen Streitkräfte sind kein monolithischer Block, und schon gar nicht angesichts der sozialen und politischen Gewalt. Es dringt jedoch wenig nach außen. Es gibt eine militärische Elite, die offen das politische Vorgehen der Regierung unterstützt. Diese Elite ist unmittelbar an der Regierung beteiligt und ihr sind alle strategischen Bereiche unterstellt: Ernährung, Importe, Zölle, innere Sicherheit, Strom- und Energieversorgung. Das alles wird vom Obersten Kommando der Militärs kontrolliert. Zudem hat sich ihre wirtschaftliche Macht mit der Gründung der militäreigenen Camimpeg im Februar 2016 noch erheblich erweitert. Jetzt spielen sie auch im Bergbau und bei der Öl- und Gasförderung eine zentrale Rolle.

Wie werden die Militärs auf Maduros Anordnung der Bildung einer Verfassunggebenden Versammlung reagieren?
Sehr wahrscheinlich ist, dass ihn die eingebundene militärische Elite unterstützen wird. Aber es gibt einen Bereich, der versucht, die Streitkräfte als Garanten der Verfassung von 1999 und der Landesverteidigung aufrechtzuerhalten. Gerade in den mittleren Rängen herrscht schon seit Langem eine große Unzufriedenheit. Dazu tragen auch die ständigen Korruptionsvorwürfe gegen die ranghohen Militärs und deren mutmaßliche Verwicklung in den Drogenhandel bei.

Stimmt der Vorwurf, mit der Verfassunggebenden Versammlung würden die seit Dezember 2016 verschobenen Gouverneurs- und Kommunalwahlen endgültig verhindert?
Das ist nicht auszuschließen. Von den 23 amtierenden Gouverneuren sind elf Militärs im Ruhestand, die sich mit dem Chavismus identifizieren und bis heute die Zentralregierung unterstützen. Und angesichts der drohenden Wahl und der sehr wahrscheinlichen Niederlage ist es fraglich, ob sie ihren lokalen Führungsanspruch opfern würden.

Seit sieben Jahren gibt es die Milicia Nacional Bolivariana, eine Miliz aus bewaffneten Zivilisten. Mitte April hatte der Präsident deren Aufstockung auf 500 000 angekündigt. Wie steht die reguläre Armee dazu?
Der Armee ist die Existenz der Milicia Nacional Bolivariana von Anfang an ein Dorn im Auge. Für sie sind die Milizen das Musterbeispiel des Misstrauens gegenüber ihrer Loyalität. Die Zahl der Armeeangehörigen wird auf 150 000 bis 170 000 geschätzt. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Die Entscheidung des Präsidenten, die Zahl der Milizionäre noch in diesem Jahr auf 500 000 zu erhöhen, gibt Anlass zur Sorge. Damit wird der Aufbau einer Parallelarmee zum Schutz des Präsidenten weiter vorangetrieben, denn die Milizionäre sind in der Regel zugleich Mitglieder der Regierungspartei PSUV.

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