Schiedsgericht straft Spanien
ICSID verhängt millionenschweres Urteil wegen Kürzungen bei der Solarstromförderung
Spanien hat vor dem Schiedsgericht der Weltbank (International Centre for Settlement of Investment Disputes - ICSID) einen ersten Tritt vor das Schienbein bekommen und der dürfte das Land noch sehr teuer zu stehen kommen: Denn weitere 26 Urteile stehen am ICSID in dieser Frage aus. Unter anderen haben auch die deutsche RWE, die Stadtwerke München, E.on, Steag oder die Deutsche Bank geklagt. Nun gibt es einen Präzedenzfall, laut dem es unrechtmäßig war, die Vergütung für eingespeisten Solarstrom rückwirkend und sogar mehrfach zu kürzen.
Die Kürzung, die die in Spanien regierende konservative Volkspartei (PP) im Energiegesetz von 2013 beschlossen und anschließend umgesetzt hatte, sei »übertrieben«, urteilte das Schiedsgericht. Zuvor hatte die sozialistische PSOE im Jahr 2010 mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise ihre einst üppigen Subventionen für die Solarbranche über eine Deckelung der eingespeisten Strommenge gekürzt. Wegen der massiven Einschnitte muss Spanien nun aber eine Entschädigung von 128 Millionen Euro an den britischen Investmentfonds Eiser zahlen. Der hatte ursprünglich sogar auf 300 Millionen geklagt. Eiser hat fast eine Milliarde Euro in drei solarthermische Anlagen in Zentralspanien investiert.
Das Urteil war absehbar, denn die Investitionen wurden auf Basis einer garantierten Vergütung getätigt, die bis zu 30 Jahre für eingespeisten Strom fließen sollte. Folglich urteilte das Schiedsgericht, dass mit der Kürzung gegen den Internationalen Energiecharta-Vertrag verstoßen worden sei. Der legt seit 1991 fest, dass die Staaten den »Investoren, stabile, gerechte, transparente und günstige Bedingungen« garantieren müssen. Das bedingt eine »gerechte und gleiche Behandlung« und einen »kompletten Schutz«, heißt es in Artikel 10 des Vertrags, den Spanien 1994 unterzeichnet hat.
Da die Iberer zunächst zu hohe Vergütungen garantiert hatten, erkennt auch das ICSID ein Recht auf Anpassung an. Es schließt sich damit dem Urteil eines Schiedsgerichts in Norwegen an, das eine Klage gegen die Deckelung abgelehnt hatte. Doch ein Land kann versprochene Vergütungen nicht einfach zusammenstreichen, womit Anlagen komplett unrentabel werden und oft nicht einmal mehr Zinsen für Kredite bezahlt werden können.
Betroffen von den Streichungen waren vor allem spanische Kleinanleger. Die gehen aber auch nach dem Urteil weiter leer aus. Sie können nämlich nicht, wie der spanische Abengoa-Konzern, vor internationale Schiedsgerichte ziehen. In Spanien hatte zuvor aber sogar das Verfassungsgericht die zweifelhafte Maßnahme der Regierung - wie üblich - abgenickt. Kleinanleger verloren oft nicht nur ihre Anteile an einer Anlage, sondern bisweilen auch Haus und Hof an die Bank, mit denen für die Kredite gebürgt worden war.
Massive Konsequenzen hatte die konservative Politik auch für Abengoa, der von einer »Milliardenenteignung« gesprochen hatte. Der südspanische Konzern kam durch diese Politik in Schieflage und musste Ende 2015 Insolvenz anmelden. Mit den weggefallenen Vergütungen brach das Geschäftsmodell zusammen, zudem stiegen die Konservativen praktisch komplett aus den erneuerbaren Energien aus. Ein Sektor, in dem Spanien einst führend war, brach zusammen.
Experten meinen nun, nach dem ICSID-Urteil kämen auf Spanien Entschädigungszahlungen zwischen fünf und sieben Milliarden Euro zu. Die werden den Staatshaushalt beziehungsweise die Stromkunden zusätzlich belasten, wenn sie auf sie abgewälzt werden. Spanien hat es ohnehin bisher nicht geschafft, sein Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu bekommen, was auch über die Kürzungen geschehen sollte. Angeblich wollten die Konservativen mit der Maßnahme zudem den Strompreis senken. Das misslang aber auch. Wie in kaum einem anderen EU-Land ist der Strompreis in den letzten Jahren explodiert - er gehört in dem Atomstromland zu den höchsten in Europa.
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