Frauen sind die besseren Chefs
Studien zeigen, dass ein höherer Anteil weiblicher Führungskräfte sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitern nützt
Bestimmt das Geschlecht, wie gut oder schlecht jemand als Führungskraft ist? Forscher der norwegischen Handelshochschule BI in Oslo beantworten das anhand einer umfangreichen Studie mit einem Ja, wenn auch mit kleinen Einschränkungen. 2900 norwegische Führungskräfte wurden mit Fragebögen auf ihre persönlichen Eigenschaften untersucht, darunter 900 Frauen. 900 der Untersuchten kamen aus dem staatlichen Sektor und ebenfalls 900 aus Führungsetagen von Topunternehmen.
Der Fokus auf menschliche Eigenschaften statt Fachwissen hatte seinen Grund: Denn die Persönlichkeit ist laut dem Team um Öyvind Martinsen, Professor und Chef am Institut für Führung und Organisation, fast so wichtig wie Intelligenz, wenn es darum geht, einen Beruf wirksam auszuüben. »Für Chefs spielt die Persönlichkeit sogar eine größere Rolle«, sagt Martinsen. Bei der Untersuchung wurden fünf Persönlichkeitseigenschaften abgefragt, die laut früheren internationalen Forschungsergebnissen zentral für gute Chefs sind. Frauen haben bei vier dieser fünf Kriterien demnach deutlich besser abgeschnitten als Männer.
So waren weibliche Chefs im Durchschnitt extrovertierter, konnten besser Initiativen durchsetzen und klarer kommunizieren. Sie waren neugieriger und offener für neue Ideen und Erfahrungen, um Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und zeigten sich dabei als die besseren Visionäre der Führungsetagen.
Auch erreichten sie bei ihrer sozialen Orientierung eine höhere Punktzahl. Frauen sind demnach als Chefs besser darin, auf ihre Mitarbeiter zuzugehen, sie zu unterstützen und einzubinden - auch bei Konflikten. Und sie können besser ihre Ziele setzen, sie durchsetzen und das Erreichte anschließend kontrollieren. Dabei gehen sie methodischer und genauer vor.
Nur bei einer der fünf wichtigsten Eigenschaften für Führungskräfte waren männliche Chefs laut der Untersuchung besser. Sie sind demnach emotional stabiler und können Stress und Druck besser wegstecken als weibliche Chefs, die eher selbstkritischer sind und sich mehr Sorgen machen.
»Heute ist die Wissenschaft der Ansicht, dass rund die Hälfte der Charaktereigenschaften angeboren ist, die andere Hälfte wird durch die Sozialisation bis zum 25. Lebensjahr geprägt«, sagt Martinsen. Mädchen wachsen noch immer anders auf und werden dadurch anders sozialisiert als Jungen. Martinsen betont aber, dass sich die Ergebnisse der Studie nicht pauschalisieren lassen: »Es gibt natürlich auch viele Männer, die viele der abgefragten Qualitätsmerkmale erfüllen und ausgezeichnete Chefs sind.«
Immer wieder kommen Studien zu ähnlichen Ergebnissen, so erst kürzlich eine US-Studie des privaten Rekrutierungsbüros Korn Ferry mit 55 000 Berufstätigen aus 90 Ländern. Auch dabei zeigte sich, dass Frauen deutlich häufiger als Männer über jene Eigenschaften verfügen, die laut jüngeren Forschungsergebnissen einen guten Chef ausmachen.
»Wenn Arbeitgeber diese Tatsachen ignorieren, könnte das die Produktivität beeinträchtigen«, schließt Studienleiter Martinsen. Im Jahr 2016 hatte eine Studie des Peterson Institutes für Internationale Wirtschaft in Washington gar anhand der Daten von knapp 22 000 Unternehmen aus 91 Ländern ergeben, dass ein 30 Prozent höherer Frauenanteil in den unteren bis höheren Chefetagen mit einem um rund 15 Prozent höheren Nettoumsatz einhergeht.
Norwegen hat dank seiner schon seit 2006 existierenden Frauenquote einen hohen Anteil von Frauen in der Führungsetage. Das Land kommt immerhin auf einen Frauenanteil von rund einem Drittel.
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