AfD versackt in der Einstelligkeit

Die Rechtsaußenpartei zieht in den Landtag von Nordrhein-Westfalen ein, bleibt aber klar hinter ihren eigenen Erwartungen zurück

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer wissen will, wie es um die AfD nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen steht, muss sich Guido Reil am Tag nach der Abstimmung anschauen. Der Essener Kommunalpolitiker war nach 26 Jahren als SPD-Mitglied zur Rechtsaußenpartei gewechselt. Dort nutzte Spitzenkandidat Marcus Pretzell den kleinen PR-Coup geschickt aus, baute Reil zum potenziellen Zugpferd auf, obwohl der von seiner neuen Partei nicht einmal mit einem aussichtsreichen Listenplatz belohnt worden war.

Am Ende bleibt Reil nur die Gewissheit, für Aufsehen und Schlagzeilen gesorgt zu haben. Im künftigen Düsseldorfer Landtag wird der 47-Jährige nicht sitzen. Auch für ein Direktmandat in seinem Wahlkreis »Essen I - Mülheim II« hat es nicht gereicht. Eine Niederlage, die dennoch auch einen Erfolg beinhaltet, der die etablierten Parteien nachdenklich stimmen sollte. Reil holte mit 13,4 Prozent das beste AfD-Direktwahlergebnis. In Karnap, direkt vor der Haustür des Kommunalpolitikers, erzielten die Rechtspopulisten mit seiner Unterstützung sogar 20,3 Prozent und ließen damit sogar die CDU (17,9 Prozent) hinter sich. Ähnlich sieht es in Vogelheim aus. Da, wo sich AfD-Kandidaten seit vielen Jahren in der Nachbarschaft engagieren, hat die Rechtsaußenpartei überdurchschnittlichen Erfolg, ist ihre Wahl alles andere als ein Schreckgespenst.

Beim Blick auf die Landkarte fällt auf: Die AfD punktete vor allem im Ruhrgebiet. Die Stadt Essen sticht dabei besonders hervor. In zwei von vier Wahlkreisen holt sie mit 13,1 und 12 Prozent überdurchschnittlich starke Ergebnisse. Übertroffen wird das Essener Ergebnis von Gelsenkirchen. Ausgerechnet im Wahlkreis, der ehemalige Arbeiterviertel wie Schalke und Bismarck umfasst, holte die Rechtsaußenpartei mit 15,2 Prozent ihr stärkstes Ergebnis bei der gesamten Wahl.

Letztlich heißt dies aber nicht, die AfD habe auch besonders stark bei der Arbeiterschaft gepunktet. Laut Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen holte sie mit acht Prozent in dieser Gruppe zwar ein leicht überdurchschnittliches Ergebnis, bei den Beamten und Selbstständigen (jeweils sieben Prozent) schnitt die AfD aber kaum schwächer ab. Gäbe es so etwas wie die durchschnittlichen AfD-Wähler in NRW, so wären dies Männer mittleren Alters mit niedrigen bis mittleren Bildungsabschlüssen. Allerdings ist auch das nur die halbe Wahrheit: Hätten nur Frauen bei der NRW-Wahl ihre Stimme abgeben können, wäre die AfD - wenn auch klar schwächer - mit immerhin fünf Prozent ebenfalls in den Landtag gekommen. So erreichte sie letztlich 7,4 Prozent.

Doch den Einzug in den inzwischen bundesweit 13. Landtag will in der Partei niemand wirklich bejubeln. Pretzell hatte als Ziel ein zweistelliges Ergebnis ausgegeben, was die Partei klar verpasst hat. Auch für ihn ist der Wahlausgang weder ein richtiger Sieg, noch eine Niederlage. Immerhin kann sich der NRW-Spitzenkandidat damit beruhigen, dass das Ergebnis ausreicht, um im parteiinternen Machtkampf nicht weiter geschwächt zu werden. Schließlich schnitt sein Landesverband besser ab als die Parteikollegen bei den letzten beiden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (5,9 Prozent) und Saarland (6,2 Prozent).

Pretzell wollte dann auch die Gründe, warum die AfD in NRW in Umfragen noch vor wenigen Monaten mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen konnte und nun doch deutlich schwächer abschnitt, nicht bei seinem Landesverband suchen. Bei Landtagswahlen könnten sich die Wahlkämpfer »nie ganz vom Bundestrend abkoppeln«, erklärte er in Anspielung auf den erbitterten Führungstreit in der AfD-Bundesspitze.

Auch das ist nur ein Teil der Wahrheit: Zwischen Rhein und Ruhr gab die Rechtsaußenpartei zuletzt ebenfalls kein Bild der Geschlossenheit ab. Pretzell und Co-Landeschef Martin Renner liefern sich einen erbitterten Streit um die Führung. Ein Ereignis nur zwei Tage vor dem Urnengang illustriert das Problem der AfD sehr treffend: Am Freitag kam heraus, dass der Vorsitzende des Kölner Kreisverbandes, Roland Quinten, sowie drei weitere Vorstandsmitglieder ihre Ämter niederlegen. Ex-Vorstandsmitglied Helmut Waniczek äußerte sich zu seinen Beweggründen: »Mit Bedauern stelle ich seit einiger Zeit fest, dass es in der Partei viele Mitglieder gibt, welche die Partei vor allem als Möglichkeit zur eigenen Karriere sehen«, erklärte er. Solche Äußerungen kurz vor einer Wahl sind wahre Umfragekiller. Der AfD passierte dies nicht zum ersten Mal. Letztlich sind die internen Querelen momentan der wichtigste Grund, warum die Rechtsaußenpartei keine noch größeren Erfolge einfährt.

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