Kein Kindergeld nach Heirat des volljährigen behinderten Kindes

Urteile im Überblick

  • Lesedauer: 7 Min.

Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 12. April 2017 veröffentlichten Beschluss (Az. III B 93/16).

Nach dem Gesetz können Eltern von volljährigen behinderten Kindern theoretisch bis Lebensende Kindergeld erhalten, vorausgesetzt, die Behinderung trat vor dem 25. Lebensjahr auf. Ein Anspruch auf die Zahlung besteht aber nur, wenn das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Im nun entschiedenen Fall hatte ein volljähriges behindertes Kind geheiratet. Dennoch wollten die Eltern weiter für ihr Kind Kindergeld erhalten. Vor dem Niedersächsischen Finanzgericht hatten sie keinen Erfolg. Wegen der nicht zugelassenen Revision legte der Kläger nun Beschwerde beim BFH ein.

Die BFH-Richter in München ließen die Revision nicht zu. Das behinderte, volljährige Kind sei durch die Heirat versorgt, denn der verdienende Ehepartner übernehme den Unterhalt. Reichen die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des behinderten Partners aus, »entfällt der Kindergeldanspruch«, so der BFH. epd/nd

Scheinväter müssen auf Verjährung achten

Väter von sogenannten Kuckuckskindern müssen bei Geldforderungen an den leiblichen Vater auf Verjährungsfristen achten. Grundsätzlich beginnt die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren mit der Feststellung der Vaterschaft, sie kann aber auch vorher schon beginnen.

Zu dieser Entscheidung kam der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 18. April 2017 veröffentlichten Beschluss (Az. XII ZB 56/16).

Im konkreten Fall ging es um ein geschiedenes Ehepaar aus dem Raum Mönchengladbach. Im Oktober 1995 bekam die Frau ein Kind. Der Ehemann hatte keine Zweifel an seiner Vaterschaft. 2008 trennte sich das Paar. Der Mann zweifelte nun seine Vaterschaft an und leitete 2009 ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein.

Die Mutter gab gegenüber dem Jugendamt zu, dass sie im fraglichen Zeitraum Sex mit mehreren Männern hatte. An die Namen könne sie sich nicht erinnern. Der mittlerweile geschiedene Ehemann war sich aber sicher, dass nur ein bestimmter Mann der Vater sein könne.

Dieser verweigerte die Mitwirkung an einem vom Amtsgericht angeordneten Abstammungsgutachten. Das Amtsgericht verurteilte ihn schließlich im Mai 2015 zur Zahlung von 23 684 Euro an den geschiedenen Ehemann. Dies entspreche dem Kindesunterhalt, den dieser aufgebracht hatte.

Sowohl das Oberlandesgericht Düsseldorf als nun auch der BGH in Karlsruhe entschieden jedoch, dass der Anspruch verjährt sei. Scheinväter könnten einen Unterhaltsregress grundsätzlich erst nach der Feststellung des tatsächlichen Vaters innerhalb von drei Kalenderjahren geltend machen, so der BGH.

Diese Frist könne im Ausnahmefall auch vorher beginnen. Ist dem Scheinvater vorher klar gewesen, dass nicht er, sondern ein anderer Mann der Vater des Kindes ist, könne die Verjährungsfrist »ab Kenntnis« laufen. Im vorliegenden Fall habe der betrogene Ehemann schon 2010 einen begründeten Verdacht gehabt, wer der leibliche Vater ist. Hier habe der Antragsteller den Unterhaltsregress erst im Oktober 2014 erstmals und damit zu spät vor Gericht verlangt. Der Anspruch sei seit dem 1. Januar 2014 verjährt. epd/nd

Gutachten über drohende Kindesmisshandlung beachten

Richter dürfen sich nicht über psychologische Gutachten des Jugendamtes über drohende Kindesmisshandlungen hinwegsetzen. Ordnet ein Gericht dennoch trotz Warnungen die Rückkehr eines Kindes von der Pflegefamilie zu den leiblichen Eltern an, muss dieser Schritt genau begründet werden.

Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 28. Februar 2017 veröffentlichten Beschluss (Az. 1 BvR 2569/16). Grundsätzlich müsse stets berücksichtigt werden, dass das Kind damit auch entstandene Bindungen hin zur Pflegefamilie verliert.

Im verhandelten Fall ging es um ein heute zweieinhalbjähriges Mädchen. Ärzte stellten 2015 bei ihm zahlreiche Blutergüsse und Rippenbrüche fest, die offenbar von einer Misshandlung stammten. Die Eltern konnten sich die Verletzung nicht erklären. Das Kind wurde schließlich in einer Pflegefamilie untergebracht. Doch die Eltern wollten das Kind zurück und zogen vor Gericht.

Jugendamt, Psychologen und der Verfahrensbeistand des Kindes - quasi ein vom Familiengericht bestellter »Anwalt« des Kindes - warnten vor diesem Schritt. Sie verwiesen auf die Gefahr weiterer Misshandlungen.

Das Oberlandesgericht Köln setzte sich jedoch über die Befürchtungen hinweg und meinte nach Anhörung der Eltern, dass der Rückkehr des Kindes nichts entgegenstehe. Möglichen Problemen könne mit Familienhilfen begegnet werden, befand das Oberlandesgericht.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hob diese Entscheidung auf. Zwar könne sich ein Gericht auch über Gutachten und Einschätzungen von Experten hinwegsetzen. Das Gericht müsse dann aber detailliert begründen, warum das Kindeswohl nicht gefährdet sei. Das sei hier nicht geschehen, hieß es.

Die Rückführung des Kindes zu den leiblichen Eltern verlange ein »hohes Maß an Prognosesicherheit«, dass dem Kind kein Schaden droht. Auch dürften Bindungen des Kindes zu den Pflegeeltern nicht - wie hier geschehen - außer Acht gelassen werden. Denn schon die Herausnahme aus dem sozialen Umfeld könne zu einer nicht hinnehmbaren Schädigung des Kindes führen, befanden die Karlsruher Richter. Das OLG Köln muss nun neu über das Verfahren entscheiden. epd/nd

Erbendes Pflegeheim zahlt Erbschafts- und Körperschaftssteuer

Eine Erbschaft, die ein Pflegeheim erhält, muss doppelt versteuert werden. So werden bei einer Kapitalgesellschaft 30 Prozent Erbschaftsteuer und nochmals auf die volle Erbschaft 15 Prozent Körperschaftsteuer fällig.

Das geht aus einem am 7. Februar 2017 veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs (Az. I R 50/16) hervor. Zum Schutz der Bewohner lässt das Heimgesetz Spenden und Erbschaften für Pflegeheime eigentlich nicht zu. Die Aufsichtsbehörden können im Einzelfall aber eine Ausnahmegenehmigung erteilen.

Im entschiedenen Fall hatte eine Pflegeheim-GmbH eine entsprechende Ausnahmegenehmigung erhalten. Ein Heimbewohner hatte 2008 sein Erbe dem Pflegeheim vermacht.

Als der Mann 2012 starb, hinterließ er gut eine Million Euro. Das Finanzamt kassierte zunächst 30 Prozent Erbschaftsteuer (etwa 300 000 Euro) und forderte zusätzlich 15 Prozent Körperschaftsteuer, bemessen an der vollen Erbschaft (etwa 150 000 Euro). Das Heim akzeptierte zwar die Erbschaftsteuer, klagte aber gegen die Körperschaftsteuer.

Der BFH in München urteilte, dass die Mehrfachbesteuerung zulässig und auch mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Es handele sich hier um »Einkünfte aus Gewerbebetrieb«, so dass Körperschaftssteuer fällig werde. Dass die Gesamtbesteuerung damit bei 45 Prozent liege, sei nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien bis 60 Prozent ohne Verstoß gegen das Eigentumsrecht hinnehmbar, so der BFH. epd/nd

Kein Elternunterhalt nach völligem Abbruch des Kontaktes

Ein Vater, der jeglichen Kontakt zu seiner Tochter abbricht und zudem jahrelang keinen Unterhalt bezahlt, kann von dem erwachsenen Kind später keinen Elternunterhalt verlangen. Das wäre »grob unbillig«.

So urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem am 9. Februar 2017 bekanntgegebenen Beschluss (Az. 4 UF 166/15).

Im konkreten Fall hatte ein erwerbstätiger Vater nach der Trennung von seiner Partnerin über sechs Jahre keinen Unterhalt für seine bedürftige Tochter gezahlt. Er wollte jeglichen Kontakt zu seiner früheren Familie abbrechen. Das teilte er seiner Ex-Frau sogar per Einschreiben mit. Doch als der Mann im Alter selbst bedürftig wurde, sollte nun seine erwachsene Tochter an ihn Elternunterhalt zahlen.

Doch das wäre für die Tochter »grob unbillig«, stellte nun das OLG klar. Grundsätzlich seien zwar erwachsene Kinder gegenüber ihren bedürftigen Eltern unterhaltspflichtig, doch nicht in jedem Fall.

Der Vater sei über sechs Jahre lang seinen Unterhaltspflichten nicht nachgekommen, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Auch habe er den Kontakt bewusst vollständig abgebrochen. Das sei »eine Verletzung der väterlichen Pflicht zu Beistand und Rücksicht« gewesen.

Zwar führe in der Regel ein Kontaktabbruch noch nicht zu einem Verlust des Unterhaltsanspruchs. Doch im vorliegenden Fall habe der Vater selbst seine Unterhaltspflicht grob verletzt. Die Tochter habe als Kind deshalb wirtschaftlich schlecht dagestanden und habe die »emotionale Kälte« wegen des Kontaktabbruchs erfahren müssen. Beides zusammen führe dazu, dass sie nun nicht für ihren Vater einstehen müsse, urteilte das Gericht. epd/nd

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