Justiz prüft VW-Betriebsratsbezüge

Erhielt der oberste Arbeitnehmervertreter zu viel Geld? / Ermittlungen gegen Topmanager

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Wieder einmal hat die Justiz Europas größten Automobilhersteller im Visier. Diesmal soll nicht etwa zu viel Abgas aus dem Dieselauspuff entwichen, sondern zu viel Geld aus der Lohnkasse des Volkswagen-Konzerns geflossen sein - und zwar auf das Konto des Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh, der auch im Präsidium des VW-Aufsichtsrates sitzt. Nicht gegen den 60-Jährigen selbst richten sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig, sondern gegen ehemalige und aktive Manager der Unternehmensspitze. Die Bezüge, die sie dem Arbeitnehmervertreter bewilligten, sind nach Ansicht der Anklagebehörde zu hoch gewesen.

Ehe Spekulationen aufkommen konnten, hat Osterloh jetzt selbst sein Einkommen offen gelegt. Rund 200 000 Euro jährlich erhalte er als Grundvergütung, darüber hinaus einen vom Erfolg des Unternehmens abhängigen Jahresbonus. Beides zusammen habe sich im höchsten Fall einmal auf 750 000 Euro Jahreseinkommen summiert.

Weitaus mehr Geld hätte er als Mitglied des Vorstands verdienen können. Ende 2015 hatte ihm der Konzern einen Platz in dem Gremium angeboten - als Personalchef des Konzerns. Doch Osterloh verzichtete auf den Posten, der seinem Inhaber immerhin mehrere Millionen Euro Jahresgehalt verspricht.

Waren die Bezüge des obersten Arbeitnehmervertreters bei VW gegenüber einem solch fürstlichen Salär wirklich zu hoch? Gibt es Grenzen, sogar strafrechtlich relevante, für die Entlohnung eines Betriebsratschefs? Mit dieser Frage wird sich die Staatsanwaltschaft wohl jetzt beschäftigen müssen. Anlass dafür sei eine Anzeige gewesen, heißt es. Von wem sie gestellt wurde, war nicht zu erfahren. Auch gegen welche Manager sie sich konkret richtet, verschweigt die Behörde und begründet dies mit laufenden Ermittlungen. Laut der »Braunschweiger Zeitung« richten sich die Aktivitäten der Staatsanwälte gegen Personalvorstand Karlheinz Blessing, seinen Vorgänger Horst Neumann und auf den Personalchef der Marke VW, Martin Rosik, sowie dessen Vorgänger Jochen Schumm.

Die Justiz dürfte prüfen, wie diese Manager bei der Berechnung des Osterloh-Gehalts das Betriebsverfassungsgesetz interpretiert haben. Es schreibt keine expliziten Obergrenzen vor, sondern besagt nur, dass Vergütungen für die Betriebsratsmitglieder nicht geringer sein dürfen als der Lohn »vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung«. Der gelernte Indus- triekaufmann Osterloh soll zu Beginn seiner Arbeit als Betriebsratsvorsitzender vor zwölf Jahren etwa 6500 Euro Monatsgehalt bekommen haben.

Mit Blick auf die Fragen zu Osterlohs Bezügen erinnerten Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) jetzt vor der Presse daran, dass Industrie und Gewerkschaften, aber auch zahlreiche Arbeitsrechtler seit längerem konkretere Regelungen zur Vergütung von Betriebsräten fordern. Das Betriebsverfassungsgesetz müsse hier »größere Klarheit herstellen«.

Grundsätzlich seien für eine Interessenvertretung in einem internationalen Großkonzern wie Volkswagen »Fähigkeiten erforderlich, die mit den an Manager gestellten Anforderungen vergleichbar sind«, betonten die Politiker. »Nach allgemeiner Einschätzung« sei die betriebliche Interessenvertretung bei Volkswagen in den vergangenen Jahren besonders erfolgreich gewesen. »Dies ist sicher auch und gerade auf die Arbeit von Bernd Osterloh zurückzuführen«, unterstrichen Weil und Lies.

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