China wirbt für Jahrhundertprojekt
Euro-Milliarden und 94 Sprachen an der Pekinger Universität für die »Neue Seidenstraße«
Beim Warten auf Chinas Staatschef Xi Jinping bot Russlands Präsident Wladimir Putin willkommene Harmonie. Am Flügel im Gästehaus spielte er heimatliche Klassiker und festigte zugleich seinen guten Ruf beim Volk des Gastgebers. Der absolvierte an diesem Montag den zweiten und letzten Gipfeltag zum Thema »Neue Seidenstraße«. Das Forum »Belt and Road Initiative« (B&R) in der Hauptstadt Peking entbehrte nicht der Harmonie, wobei auch die Aussicht auf Milliardeninvestitionen über manche offene oder heimliche Verstimmung hinweggeholfen haben dürfte.
Das Jahrhundertprojekt dieser Nation, die traditionell in großen Zeiträumen strategisch denkt und plant, ist bislang auf rund 900 Milliarden Euro beziffert. Mehr als 100 Milliarden stellte die Partei- und Staatsführung des Reiches der Mitte bereits in Aussicht. Auf der Veranstaltung mit 28 Staats- und Regierungschefs sowie Ministern aus mehr als 100 Ländern wurde ein Entwicklungspaket geschnürt. Das wird zu neuen politischen, ökonomischen, sicherheitspolitischen und sozialen Strukturen sowie Kooperationsmechanismen für 65 Länder und Regionen in Asien, Europa und Afrika führen.
Rund 4,4 Milliarden Menschen, das sind 63 Prozent der Weltbevölkerung mit etwa 23 Billionen Dollar Bruttoinlandsprodukt, also fast einem Drittel des globalen Bruttoinlandsprodukts, werden über sechs ökonomische Korridore einbezogen: die Euroasiatische Brücke, den China-Mongolei-Russland-Korridor, den zwischen China und Indochina, zwischen China, Pakistan und Bangladesch sowie China, Indien und Myanmar. Jetzt geht es um zügige politische Koordinierung,den Ausbau der Infrastruktur, der Investitionstätigkeit, des Handels, der Finanzkooperation und einen gezielt geförderten zwischenmenschlichen Austausch.
Nur vier Monate vor dem historischen 19. Parteitag der KP Chinas, deren 100. Jahrestag 2021 begangen wird, gelang der »5. Führungsgeneration« seit 1949 um Xi Jinping, ein nachhaltiger außenpolitischer Erfolg der im September 2013 gestarteten Initiative. Ebenso wird innenpolitisch durch die neue Seidenstraße ein Entwicklungsschub vor allen für zentral- und westchinesische Provinzen in Richtung »bescheidener Wohlstand« für Alle organisiert.
Beim Aufbau eines »Wirtschaftsgürtels« entlang der klassischen nördlichen Seidenstraße - durch Westchina, Zentralasien, Kasachstan, Russland, Weißrussland, Polen bis in die EU nach Duisburg und in den Mittelmeerraum nach Griechenland - werden Länder, Territorien und Großregionen erfasst, die bisher nur begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten aus eigener Kraft haben.
Gretchenfrage ist auch hier das »Wie?« der Projektfinanzierung. Instrument dafür ist die 2013 von China gegründete Asiatische Infrastruktur - Investitionsbank (AIIB) mit einem Startkapital von 100 Milliarden Dollar. Deutschland ist seit 2015 Mitglied und größter nichtregionaler Anteilseigner mit 4,5 Milliarden Dollar. Abgesichert über die Bank of China bezieht die AIIB lokale Währungen finanzschwächerer Länder für Investitionen und Finanzierungen beim Seidenstraßenprojekt ein. Das ist neu. Die AIIB wird so zu einem multilateralen Finanzierungsinstrument in Konkurrenz zu den USA-dominierten Internationalen Währungsfonds und Weltbank sowie zur Asiatischen Entwicklungsbank unter Japans Zepter.
Neu auch, dass ein umfassendes Bildungsprogramm in die B&R-Initiative eingebettet wird. 94 Sprachen werden ab 2018 an der Pekinger Fremdsprachen-Universität gelehrt für Studenten aus B&R-Teilnehmerländern, 70 Forschungsprogramme für 46 Länder und 66 detaillierte Marktanalysen erstellt. Jährlich kommen 3000 Studenten nach China, um B&R-spezifische Fächer zu belegen.
Sozial- und Umweltstandards fehlten in einer Erklärung zum Handel. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, unterzeichneten nicht. Viel ist noch zu tun. Doch insgesamt macht die B&R-Initiative lebensfähiger, dass es keine politisch-ideologische Einflussnahme auf die Teilnehmer gibt und keine militärischen Bündnisse angestrebt werden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.