Der Tod, der aus der Kälte kam
Mediterrane Vegetation in Dalmatien künftig nur noch im Kübel?
Zdravko Luković wischt sich den Schweiß von der Stirn. Zwölf Bougainvilleas hat er an diesem Morgen bereits gefällt. »Bei jeder einzelnen blutet mir das Herz«, sagt der sehnige Mittfünfziger. Er arbeitet bei einer Firma, die die städtischen Grünanlagen in Dubrovnik pflegt. Dieses Jahr kommt statt der Baumschere vor allem die Motorsäge zum Einsatz. Der Winter hat Kroatiens schönster Stadt übel mitgespielt.
Sie gehörten zum Stadtbild wie die alten Festungsmauern: Palmen, Oleander und vor allem die Bougainvillea. Ein sonnenhungriger, bis zu fünf Meter hoher dornenbewehrter Kletterstrauch, der von Mai bis November mit unzähligen kleinen, dicht beieinander stehenden violetten Blüten übersät ist. Jetzt bohren sich nur kahle trockene Äste wie in stummer Klage in den makellos blauen Himmel. Zwar hält die Bougainvillea, die aus Südamerika in die Mittelmeerregion kam, Fröste von bis zu minus acht Grad aus. aber nur kurzzeitig. »Das Mitte Januar«, sagt Luković, »war sogar für sie zu viel«. Statt der für die Jahreszeit in Süddalmatien typischen acht Grad Wärme wurden in Dubrovnik nachts Werte von unter minus zehn gemessen. Eine ganze Woche lang. Nicht eine Bougainvillea hat das überlebt. »Auch meine zu Hause sind hin«, sagt der Gärtner. Eine letzte Chance will er seinen Lieblingen dennoch geben: Die Strünke, etwa zehn Zentimeter hoch, bleiben erstmal in der Erde. »Vielleicht schlagen sie nach dem radikalen Rückschnitt doch noch neu aus.«
Viel Hoffnung hat er nicht. Die Pflanzen haben noch nicht verkraftet, dass Väterchen Frost sich schon vor zwei Jahren kurz die Ehre gab. »Sogar ganz Alte konnten sich an Derartiges nicht erinnern«, sagt Luković. Auch er selbst glaubte damals an einen Ausrutscher, ist inzwischen aber überzeugt, der Klimawandel habe die Adria erreicht. Die Winter würden deutlich kälter, die Sommer heiß wie in der Sahara und ähnlich regenarm. Lokale Medien prophezeien schon für dieses Jahr ein »Fegefeuer wie in der Hölle«.
Durchaus möglich, meint der Gärtner. »Verlass ist nicht mal mehr auf den Jugo«. Auf den Südwind, den Regenmacher der sich beim wilden Ritt über das Meer mit Wasser vollsaugt wie ein Schwamm. Nirgendwo grünt die Adriaküste daher üppiger als in Kroatien. Nicht mehr lange, fürchtet der Gärtner. »Bougainvilleas und Oleander wird es hier bald nur noch in Kübeln und auf alten Postkarten geben.« Die Lücken, die sie in seinem eigenen Garten gerissen haben, will er mit Kletterrosen füllen. Für das öffentliche Grün sei das keine Alternative. »Die brauchen viel zu viel Wasser.«
Damit nicht genug: Das große Palmensterben, das 2010 am westlichen Mittelmeer begann, wütet seit Kurzem auch an der kroatischen Adria und zwingt dem Land einen Zweifrontenkrieg auf. Von Dubrovnik im Süden frisst sich der Rote Palmenrüssler nach Norden voran. Kollege Paysandisia archon, ein herrlich gemusterter Nachtfalter, in umgekehrter Richtung. Er, sagt Pflanzenschutzfachfrau Mirna Petricioli aus Split in Mitteldalmatien, wo die Truppen der Killerinsekten bereits gemeinsam zuschlagen, sei besonders tückisch.
Die Weibchen legen ihre Eier - bis zu 140 Stück - in den Kronen der Palmen ab. Die Larven bohren sich nach dem Schlüpfen ins Holz und legen dort beim Fressen meterlange Gänge an. Ihre Ausscheidungen enthalten Gifte, die Palme vertrocknet und wird auch für Menschen zur tödlichen Gefahr. Schon ein mittelschwerer Sturm knickt die morschen Stämme um wie Streichhölzer. Der Falter, so Petricioli, sei ein guter Flieger, ein einziges Exemplar könne bis zu 50 Palmen infizieren.
Ein Ende der Plage ist nicht abzusehen. Die Palmenfresser, die aus Südamerika und Südostasien eingeschleppt wurden, haben am Mittelmeer keine natürlichen Feinde. Und die Behörden wegen der Touristen Bedenken, die chemische Keule zu schwingen. Experten sind weitgehend ratlos und setzen auf präventives Monitoring. Ein undankbarer Job; Der Krankheitsverlauf ist rasant, Bäume die scheinbar noch vor Gesundheit strotzen, sind womöglich bereits befallen. Wenn die Wedel anfangen, sich graubraun zu verfärben, sagt Expertin Petricioli, sei es bereits zu spät. Dann blieben nur noch die Axt und das Verbrennen auf einer Sonderdeponie.
Von Neupflanzungen rät sie derzeit entschieden ab. Die Schädlinge seien über Setzlinge aus Spanien und Italien eingeschleppt worden. Baumschulenbesitzer wollten verkaufen, es gebe daher keine Garantien, dass frisch importierte Jungpflanzen nicht schon infiziert sind. Eigene Baumschulen für Palmen gibt es bisher weder in Dalmatien noch in Istrien.
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