Notbesatzung im Atommülllager
Wegen Seilschadens ist der Asse-Hauptschacht gesperrt
Die Arbeiten im Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel werden derzeit erheblich erschwert. Das marode Bergwerk kann bis auf Weiteres nämlich nicht mehr durch den Hauptschacht II befahren werden. Das Stahlseil, das den Förderkorb in die Tiefe lässt und wieder nach oben zieht, ist beschädigt, teilte der neue Betreiber, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), mit. Der Schaden wurde bereits am Sonnabend festgestellt.
Bis das Seil ausgetauscht ist, können Material und Personal nur über den kleinen Notschacht Asse IV in das Bergwerk einfahren. So lange sei die Größe der Belegschaft unter Tage »deutlich eingeschränkt« worden, so eine BGE-Sprecherin. Statt wie üblich rund 120, arbeiten dort derzeit nur etwa 20 Beschäftigte. Alle sicherheitsrelevanten Arbeiten, wie das Auffangen von Salzlauge und die Kontrolle des Grubengebäudes, liefen aber weiter. Besucherfahrten unter Tage sind derzeit aber nicht möglich. Wann der Hauptschacht wieder freigegeben wird, ist unklar.
In das ehemalige Salzbergwerk Asse, dessen Schächte I und III schon früher abgesoffen waren, wurden zwischen 1967 und 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie hochgiftiger Chemiemüll deponiert. Weil auch die Schachtanlage Asse II voll Wasser zu laufen droht – täglich dringen rund 12.000 Kubikmeter Salzlauge in die Stollen und Gänge – sollen die Abfälle nach Möglichkeit zurück an die Oberfläche geholt, dort neu verpackt und gelagert werden.
Für die Rückholung plant die BGE die Errichtung eines neuen, größeren Schachtes. Der Bau werde sich noch über Jahre hinziehen, sagte BGE-Sprecherin Monika Hotopp dem »nd«. Alleine für die reine Bauzeit seien etwa sieben Jahre zu veranschlagen. 2015 hatten Erkundungsbohrungen an einem möglichen Standort für diesen Schacht V begonnen. Hotopp zufolge sind die Bohrungen noch nicht abgeschlossen und ausgewertet. Vor einem Baubeginn sei ein Genehmigungsverfahren notwendig. Wie lange dieses dauere, müsse die BGE mit der Bergbehörde abstimmen.
Den Atomkraftgegnern in der Region geht es nicht schnell genug mit der Rückholung. Sie fordern von der BGE eine detaillierte Gesamtplanung für die Bergung der radioaktiven Abfälle. Der Betreiber müsse zudem alle Arbeiten im Bergwerk in ihren Auswirkungen auf die Rückholung der Fässer abwägen und dokumentieren, erklärte der Asse-II-Koordinationskreis – das ist der Dachverband örtlicher Bürgerinitiativen und Umweltgruppen.
Die BGE hatte die Verantwortung für die Asse sowie die Endlagerprojekte Schacht Konrad in Salzgitter und Morsleben in Sachsen-Anhalt Ende April vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) übernommen. Das BfS habe als eine der letzten Maßnahmen die Zugänge zu den Atommüll-Kammern in 750 Metern Tiefe zubetonieren lassen, kritisiert der Koordinationskreis: »Durch diese Verfüllung gingen die letzten Beobachtungsmöglichkeiten in diesem Bereich verloren.« Nun könne nicht mehr kontrolliert werden, welche Laugenzuflüsse vor den Kammern aufträten. Die BGE müsse die unterirdischen Strecken zu diesen Hohlräumen deshalb wieder öffnen.
Anfang Mai hatten Dutzende Aktivisten vor dem Bundeskanzleramt und dem Bundesumweltministerium gegen die von ihnen befürchtete Flutung des Bergwerks demonstriert. Einige Atomkraftgegner trugen einen schwarzen Sarg mit der Aufschrift »Region Asse – Ruhe sanft!«
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