Schulz liefert alternative Fakten
SPD-Kandidat wirbt für Vertrauen in Politik, verharmlost aber zugleich Strategie bei Rüstungsexporten
Martin Schulz hat sich für mehr Glaubwürdigkeit in der Politik ausgesprochen. »Unrealistische Versprechen, einfache Lösungen für komplexe Probleme und populistische Kampagnen, die vor Lügen und Falschinformationen nicht zurückschrecken, führen zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung«, sagte der SPD-Kanzlerkandidat bei einer Podiumsveranstaltung des Evangelischen Kirchentags im Berliner Dom. Diese Entwicklung sei brandgefährlich.
Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Vorwürfe nicht auch teilweise auf Schulz selbst zutreffen. In einem Gastbeitrag für »Spiegel Online« hatte der SPD-Chef kürzlich die weltweit gestiegenen Rüstungsausgaben angeprangert und konstatiert, dass »mehr Waffen nicht mehr Sicherheit schaffen«. Seine eigene Partei sah Schulz als Lichtblick. »Die SPD hat die transparenteste und restriktivste Rüstungsexportpolitik durchgesetzt, die es jemals in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat«, schrieb er. Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Vielmehr hatten deutsche Ausfuhren von Kriegsmaterial, die auch an autoritär regierte Staaten wie die Golfmonarchien und die Türkei gingen, während der Amtszeit des SPD-Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel Rekordhöhen erreicht.
Seine Kritik richtete Schulz vor allem an den US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Umgang »mit demokratisch gewählten Bündnispartnern« auf dem NATO-Gipfel in Brüssel sei nicht hinzunehmen, sagte er. »Solch eine demütigende Behandlung ist zurückzuweisen, so etwas braucht man nicht zu akzeptieren.«
Trump hatte den meisten NATO-Staaten unzureichendes militärisches Engagement vorgeworfen. Diese mangelnde Beteiligung sei »nicht fair« gegenüber den amerikanischen Steuerzahlern. Zudem soll der Republikaner laut Medienberichten die Bundesrepublik wegen ihres Handelsüberschusses kritisiert haben.
Zum Ende der Veranstaltung mit Schulz unterbrach der Kirchentag für eine Schweigeminute sein Programm. Die Teilnehmer gedachten der mehr als 10 000 Menschen, die in den letzten drei Jahren auf ihrer Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind. Die Sozialdemokratin und Politologin Gesine Schwan monierte, dass es in Union und SPD Tendenzen gebe, »Fluchtwege nicht zu sicher zu machen«.
Derweil nahmen einige Kirchentagsbesucher Aktionen von Kritikern der Veranstaltung zum Anlass, sich bei der Polizei zu beschweren. In der Berliner Innenstadt stand etwa eine Moses-Figur mit Steintafel und der Aufschrift: »Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!« Zudem war eine nackte Martin-Luther-Figur aufgestellt worden. »Luthers Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt«, war darauf zu lesen. Eine Anspielung darauf, dass Luther in späten Schriften zu antijüdischer Gewalt aufgerufen hatte.
Der Kirchentag wird am Sonntag in Wittenberg mit einem Gottesdienst enden.
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