Er hat euch gesehen

Velten Schäfer nach dem Kirchentag über Gott, die Welt und die Politik

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

»Du siehst mich«, lautete die Losung des Evangelischen Kirchentages, der - je nach Stadtteil und Interesse - seit Mittwoch die Hauptstadt in Atem hielt oder unbemerkt an ihr vorbeizog. Was aber hat er nun gesehen, da das Herrgottsspektakel auf sein Finale zusteuert?

Da ließ eine Kanzlerin den US-Expräsidenten, der den Drohnenkrieg erfand, für eine Flüchtlingspolitik werben, die sie längst aufgegeben hat. Da verurteilte zwar ein Bischof die AfD, da war einmal mehr aber auch jener notorische CDU-Minister, der Christus ganz in deren Sinn für seine »Abschiebekultur« gewinnen will. Da leistete sogar eine Militärministerin »Friedensfürbitte« - und sang ein Publikum den Saalprotest gegen diese makabre Aufführung Berichten zufolge mit »christlichen Liedern« nieder.

Der Geist, der das gesehen hat, existiert wirklich - als kollektive Vorstellung im wörtlichen Sinn: nicht als Substanz, sondern als Motivation wie Wirkung eines inspirierten Lebens. Er zaubert nicht und trennt nicht im Himmel Gute von Bösen. Er ist nicht singulär, sondern ein Plural. Und doch fühlte man sich in jüngsten Tagen zuweilen versucht vom archaischen Wunsch nach dem einen, dem strengen Richter-Gott. Vielleicht mit jenen 14 Theologen, die Zeugnis ablegten wenigstens gegen das Kriegsgebet - und kein Gehör fanden bei einer Mehrheit, mit deren Gott man wirklich nichts zu tun haben will.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!