Berlin gibt Brüssel weniger Geld

EU-Kommissar Günther Oettinger will nächstes Jahr 161 Milliarden Euro verteilen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Günther Oettinger war es eine Premiere. »Mit diesem Haushalt wollen wir den goldenen Mittelweg finden«, versprach der EU-Kommissar aus Baden-Württemberg am Dienstag bei der Vorstellung des EU-Haushaltsentwurfs für 2018 in Brüssel. Man wolle die Verpflichtungen einhalten, die man in den Vorjahren für große EU-Programme eingegangen sei, gleichzeitig neue Herausforderungen bewältigen und dabei den durch die EU erzielten Mehrwert noch steigern. Seit Jahresbeginn ist Oettinger für das Brüsseler Budget zuständig. Es ist der erste Haushaltsentwurf, der aus seiner Feder stammt.

Dieser sieht für 2018 Verpflichtungen in Höhe von 161 Milliarden Euro vor, mit denen Brüssel verstärkt das Wirtschaftswachstum stimulieren und die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen will. Damit plant der EU-Kommissar, im kommenden Jahr 1,4 Prozent mehr an Mitteln zu verteilen als in diesem Jahr. Vor allem bleibt ihm, wenn er bei den EU-Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament mit seinem Vorschlag durchkommt, 2018 wieder weitaus mehr Geld zur Begleichung seiner Rechnungen. Ausgaben von 145 Milliarden Euro sieht der Entwurf vor. Dies ist ein Plus von 8,1 Prozent gegenüber 2017 und kompensiert fast die vorangegangen Kürzungen. Vergangenen Dezember wurde das Budget von 146 Milliarden auf 135 Milliarden Euro gestutzt.

Indes profitiert auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble davon, dass Brüssel 2017 weniger Geld ausgibt. In der Mitte Mai vorgestellten Steuerschätzung ging sein Ministerium davon aus, dass dieses Jahr 25,9 Milliarden Euro an die EU abgeführt werden müssen. Das sind 3,6 Milliarden oder knapp zwölf Prozent weniger als noch im November 2016 geschätzt. Diese Abweichung sei zurückzuführen auf den »unerwartet hohen Überschuss des EU-Haushalts aus dem Vorjahr, zusätzliche sonstige Einnahmen des EU-Haushalts, die zu einer Entlastung bei den Abführungen der Mitgliedstaaten beitragen«, sowie auf geringere Ausgaben des EU-Haushalts im Jahr 2017, hieß es hierzu auf nd-Anfrage aus dem Bundesfinanzministerium.

Damit setzt sich der Trend fort, dass Berlin immer weniger Geld in den EU-Haushalt einzahlt. Noch 2015 überwies Berlin knapp 31 Milliarden Euro aus Zöllen, den Mehrwertsteuereinnahmen und EU-Eigenmitteln, die sich an der Höhe des Bruttonationaleinkommens bemessen. Bereits 2016 flossen mit rund 29,3 Milliarden Euro 5,4 Prozent weniger nach Brüssel. Doch stimmen die Schätzungen aus dem Finanzministerium, wird es kommendes Jahr wieder ganz anders aussehen: 36 Milliarden Euro wird Berlin demnach an Brüssel weiterreichen.

Unterdessen sind Oettinger mit dem mehrjährigen Finanzrahmen enge Grenzen in seiner Planung gesetzt. Dieser wurde 2013 nach langwierigen Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europaparlament und den Mitgliedsländern für die Jahre 2014 bis 2020 festgelegt. Damals gab es in der EU zwei Fraktionen: Länder, die Brüssel für die Bewältigung der Eurokrise mehr Geld geben wollten, und Länder wie Großbritannien, Deutschland Schweden und die Niederlande, die das EU-Budget kürzen wollten. Die zweite Fraktion setzte sich durch. Der EU wurde damals für den gesamten Zeitraum bis 2020 ein Haushalt von 960 Milliarden Euro an Zahlungsverpflichtungen und 908 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen eingeräumt.

Oettinger kann diesen Finanzrahmen nicht überziehen, aber zumindest Umschichtungen vornehmen, um politische Akzente zu setzen und neuen Aufgaben zu meistern. Ein Risiko birgt etwa der Brexit. Schließlich ist noch offen, ob Großbritannien bis zu seinem Austritt aus der EU noch alle finanziellen Forderungen der Gemeinschaft erfüllt.

So erklärte Oettinger, dass mit den Wahlen Anfang Juni in Großbritannien die Freigabe von weiteren 700 Millionen Euro für die EU-Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit sowie den Aufbau kostenloser Internet-Hotspots auf dem Spiel stehen. Zudem müssten notfalls Haushaltsmittel, die für die Landwirtschaft reserviert sind, für zusätzliche Sicherheits- und Migrationsausgaben verwendet werden.

Schließlich sieht der Entwurf auch die Aufstockung der Mittel für weniger altruistische Sachen vor wie ein ein »besseres Management der Außengrenzen«, also die Stärkung der Festung Europa. Und auch für die militärische Forschung ist für 2017 bis 2019 ein Betrag von insgesamt 90 Millionen Euro eingeplant.

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