Gemeinnützig, billig, dauerhaft

Stadtsoziologe Andrej Holm legt mit Rosa-Luxemburg-Stiftung Wohnungsstudie vor

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast die Hälfte aller Berliner Mieter gaben bereits 2014 mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete aus. Für ein knappes Zehntel der Haushalte liegt die Belastung bei sogar mindestens 45 Prozent. Diese Zahlen ergeben sich aus der kürzlich veröffentlichten »Sonderauswertung Wohnen« des vom Statistischen Bundesamt erstellten Mikrozensus 2014. Der jüngst veröffentlichte Mietspiegel 2017 mit zweistelligen Erhöhungen dürfte die Situation noch weiter verschärft haben. »Bei den unteren Einkommen trägt die Mietenentwicklung wesentlich zur Armut bei«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Gleichzeitig wurden allein in Berlin im Jahr 2016 rund eine Milliarde Euro Mietkosten für Transferleistungsempfänger ausgegeben.

Der Stadtsoziologe Andrej Holm nennt das eine »gewaltige Steuerverschwendung«, während gleichzeitig immer weniger leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Maximal 30 Prozent des Einkommens sollte für die Bruttowarmmiete ausgegeben werden müssen. »Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist das Ergebnis systematischen Marktversagens und einer sozialen Blindheit des Marktes«, sagt Holm.

Neue Wohnungsgemeinnützigkeit

Fünf Prinzipien bilden den Kern der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit in der vorgestellten Studie:

1. Eine Gewinnbeschränkung auf maximal vier Prozent.

2. Die vorrangige und dauerhafte Vermietung an Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen.

3. Dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindung sowie einkommensabhängige Miethöhen.

4. Eine Zweckbindung der erwirtschafteten Überschüsse.

5. Erweiterung der Mitbestimmungsmöglichkeiten für Mieter und Transparenz der Geschäftstätigkeit.

Am 6. Juni um 18 Uhr diskutieren Befürworter und Gegner der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit im Salon der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Studie kann unter www.rosalux.de heruntergeladen werden. nic

»Bisher wird versucht, die Förderbedingungen an die Markterwartungen anzupassen, anstatt die Wohnungsunternehmen so umzugestalten, dass sie den sozialen Bedarf decken«, beschreibt der Stadtsoziologe die Situation. Mit einer »Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit« könnte seiner Meinung nach das System vom Kopf auf die Füße gestellt werden. »Voraussetzungen, Modelle und erwartete Effekte«, so lautet der Untertitel der an diesem Mittwoch veröffentlichten Studie zum Thema, die Holm mit den Wissenschaftlerinnen Sabine Horlitz und Inga Jensen erstellt hat. Auftraggeber sind die Linksfraktion im Bundestag sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Nach 2015 ist es bereits die zweite Untersuchung zum Thema, die die LINKE veranlasst hat.

Kern des Papiers: Durch Steuerbefreiungen, den Erlass von Grundstückskosten, zinsfreie Baudarlehen und den Verzicht auf eine Eigenkapitalverzinsung ließen sich die Kostenmieten bei Neubauten von 10,30 Euro auf 4,98 Euro pro Quadratmeter drücken. Zusätzlich wäre der entstehende Wohnraum auch dauerhaft für soziale Zwecke gesichert.

»Bisher hatten wir unser Gemeinnützigkeitskonzept noch nie ausführlich vorgestellt, nun können wir in die Diskussion ein konkretes Angebot geben«, sagt Holm. In dem Papier wird auch auf Kritik an der bisherigen Studie eingegangen. Immer wieder werde vor einer Ghettoisierung gewarnt, so Holm. »Dabei haben 56 Prozent der Berliner Haushalte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein - da verbietet sich jede Diskussion über Ghettobildung«, erklärt der Stadtsoziologe. »Viele Kritiker, gerade auch aus der Wohnungswirtschaft, verstecken sich hinter formalen Kriterien«, so Holms Eindruck. Dabei zeigten die Beispiele in den Niederlanden und Österreich, dass sich eine Wohnungsgemeinnützigkeit auch mit EU-Regeln vereinbaren lässt.

»Die Grünen und Teile der SPD sind für eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit«, sagt die LINKEN-Bundestagsabgeordnete Heidrun Bluhm über die bundespolitischen Perspektiven einer Neuregelung. »Wenn die FDP an einer neuen Bundesregierung beteiligt sein wird, dann können wir eine Neuregelung vergessen«, so Bluhms Einschätzung.

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