Astana prüft den syrischen Knoten
Das Potpourri der Kriegskakofonie soll wieder einmal harmonisiert werden
An diesem Wochenende sollen zwischen Russland, Türkei und Iran in Astana (Kasachstan) vier Deeskalationsgebiete im Westen Syriens festgelegt werden. So war es bei der Verabschiedung des trilateralen Abkommens am 4. Mai ausgemacht worden. Im Osten Syriens eskaliert derweil der Wettlauf um Einfluss und Kontrolle der Grenze zu Irak. Die USA haben ihre Verbündeten in Syrien massiv aufgerüstet. Russland griff mit Cruise Missiles gegen den Vormarsch von IS-Kämpfern ein.
Der russische Präsident Wladimir Putin zeigte sich optimistisch. Die Deeskalationsgebiete in Syrien sollten eine Chance für den politischen Dialog zwischen Regierung und bewaffneten Gruppen sein, sagte er in St. Petersburg. Der Abzug von Kämpfern aus verschiedenen Gebieten ist ein Schritt der angestrebten Deeskalation, dann sollen sich die »moderaten« Gruppen von Al Qaida (Nusra-Front) und IS trennen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow bestätigte die Unterstützung Ägyptens für das Astana-Abkommen. Die Garantiemächte Russland, Türkei und Iran arbeiten mit mehreren Staaten einen Plan zur Sicherung der Pufferzonen zwischen den Deeskalationsgebieten und dem Rest des Landes aus. Ägypten kommt dabei möglicherweise als Ordnungsmacht in Frage. Iran erklärte sich ebenfalls bereit, Soldaten als Blauhelme unter UN-Mandat in Syrien einzusetzen.
Im Osten Syriens ist derweil das Ringen um Einfluss und Kontrolle der syrischen Grenzregion zu Irak eskaliert. Die mit der syrischen Regierung verbündeten Staaten Russland, Iran, Irak wollen die territoriale Einheit Syriens unter Kontrolle einer Regierung in Damaskus erhalten. Die anderen ausländischen Truppen, die sich ohne Zustimmung von Damaskus und damit völkerrechtswidrig als militärische Besatzer, Spezialkräfte oder »Ausbilder« oppositioneller Gruppen in Syrien aufhalten, wollen das verhindern.
Die nordöstliche Grenze (Provinz Hasakeh) wird bereits von den mit den USA verbündeten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und den mit ihnen kooperierenden kurdischen Volksverteidigungskräften (YPG/YPJ) kontrolliert. Im Zentrum (Deir Ezzor, Al Mayadeen) wird die Grenze weitgehend vom IS und von der US-Armee kontrolliert, im Südosten (Dreiländereck Syrien, Irak, Jordanien) soll eine »Neue Syrische Armee« mit US-Hilfe verhindern, dass die syrische Armee mit ihren Verbündeten (Irak, Iran) wieder die Kontrolle über die Verbindungsstraße Damaskus-Bagdad übernimmt. Diese »Neue Syrische Armee« wurde mit Hilfe von jordanischen, britischen und US-amerikanischen Spezialkräften in einer Basis bei Al Tanf platziert, wo weitere Kämpfer für die Truppe ausgebildet werden.
Während aus Rakka und Umgebung in den vergangenen Wochen nach Angaben der US-Armee bis zu 200 000 Menschen geflohen sind, wurden die US-Verbündeten SDF, YPG, YPJ mit schweren Waffen, Munition und Panzerwagen für den bevorstehenden Sturm auf Rakka aufgerüstet. Die Zahl der US-Marines zu ihrer Unterstützung in der Provinz Rakka wurde auf mindestens 1000 erhöht. Angaben, wonach es unter Vermittlung der US-Armee eine Vereinbarung zwischen SDF/YPG/YPJ und dem IS in Rakka gegeben habe, die den freien Abzug des IS nach Palmyra und Deir Ezzor vorsieht, wurden von kurdischer Seite zurückgewiesen.
Der russische Außenminister Lawrow bestätigte derweil die Angaben der russischen Luftaufklärung, dass IS-Kämpfer aus Rakka ungehindert abziehen konnten. Um deren Abmarsch nach Palmyra oder Deir Ezzor zu verhindern, habe die russische Luftwaffe mit Cruise Missile den IS-Konvoi zerstört. Das werde auch weiter geschehen, denn der »IS, seine Waffen, Basen und Trainingslager sind absolut legitime Ziele«, betonte Lawrow. »Alle, die die UN-Sicherheitsratsresolution zu Syrien umsetzen, sind verpflichtet, das zu tun.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.