Neue Perspektiven für das Vétomat

Nach einem Umzug muss der Verein renovieren, per Crowdfunding wird das notwendige Geld eingeworben

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

120 Unterhemden liegen ausgebreitet im Vétomat herum, in der Mitte des Raumes steht ein Siebdruckkarussell, rote und blaue Druckfarben stehen griffbereit. Vereinsmitglied Tom Singier arbeitet an einem Projekt für den Künstler »Lite Kultur«, der für das 48-Stunden-Neukölln-Festival eine interreligiöse Performance vorbereitet. Auf die Brust der Unterhemden wird »One 4 All«, auf den Rücken »All 4 One« gedruckt.

Das Siebdruck- und Kulturkollektiv Vétomat hat eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um Geld für die notwendige Baumaßnahmen zu sammeln. Noch bis Freitag, 23.59 Uhr können Kunstdrucke, Bücher und T-Shirts erworben oder gespendet werden. Ab 19 Uhr wird in den Räumen der Endspurt der Kampagne mit einer Party gefeiert.

Nach zehn Jahren musste der Vétomat aus seinem alten Domizil in der Scharnweberstraße ausziehen. Das Haus wurde zuvor verkauft, der neue Besitzer wollte sanieren und blockte alle Gespräche ab, um mit dem Verein über eine Verlängerung des Mietvertrages zu sprechen. Die Vereinsmitglieder mussten neue Räume suchen. Mit Erfolg: Die kleine »Bewohnergenossenschaft FriedrichsHeim« hat sich für ihr Haus in der Wühlischstraße 42 einen gemeinnützigen Mieter gewünscht. Bezahlbare Räume unter normalen Bedingungen zu finden, wäre unmöglich gewesen.

Der Umzug war bis ganz zuletzt nicht sicher, aber Rippel sieht die spannungsreiche Zeit und den Verlust der alten Räume nicht nur negativ. Nach zehn Jahren hatte eine Veränderung auch positive Aspekte: »Wir mussten uns neu überlegen, wohin wir mit dem Verein wollen und haben neue Perspektiven für die nächsten zehn Jahre entwickelt.« Rippel zeigt die Werkstatt. Die war am alten Standort in den hinteren Räumen untergebracht. Nun können sie alle Besucher sehen und erleben.

Die Crowdfunding-Kampagne soll 16500 Euro erzielen. Die benötigten 7000 Euro für den Schallschutz wurden bereits erreicht, das restliche Geld soll für Installationsarbeiten an Wasser, Abwasser und die Einrichtung eines Starkstromanschlusses für die Werkstatt genutzt werden. In der Zukunft soll auch eine Küche und einen verschiebbarer Tresen eingebaut werden. Da die neuen Räume viel kleiner sind als die alten, muss alles funktional sein.

Der Vétomat ist – mit Ausnahme der Hausprojekte – einer der letzten Kulturräume im Kiez, der aus rein ehrenamtlichen Engagement entstanden ist. »Wir glauben, dass es für eine Zivilgesellschaft existenziell ist, dass alle Menschen Zugang zu Kultur haben, unabhängig von Einkommen oder sozialen Status«, sagt Rippel. »Deshalb sind alle Veranstaltungen bei uns eintrittsfrei.«

Für Rippel war das Fortbestehen des Vétomats keine Selbstverständlichkeit. Die Unsicherheit, die der drohende Verlust der Räume verursachte und das Gefühl, dass es quasi unmöglich wäre in Friedrichshain neue Räume zu finden, hat die Entwicklung des Kollektives gehemmt. »Dass Alle mitgegangen sind, damit hat keiner gerechnet.« Die große Frage sei doch, »wie können aus freiwilliger Arbeit bestehende Strukturen sich verstetigen?« Rippel arbeitet seit neun Jahren im Verein, und schwärmt von den Möglichkeiten, die der Verein bietet: »Das schöne am Vétomat ist: hier können Projekte wachsen. Hier sind sie keinem Verwertungsdruck unterworfen«, erklärt er. Der Verein engagiert sich auch im Kiez. Derzeit werden Gelder beantragt, um mit Schülerinnen und Schülern aus der Umgebung Siebdruckworkshops zu veranstalten. Wer will, kann eigene Ideen verwirklichen – das sollen die jungen Menschen lernen.

Die Spendenseite findet sich unter www.startnext.com/vetomat

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