Stippvisite in Sindbads Heimat
Oman besticht durch viele Facetten und hebt sich wohlig vom Protz Dubais ab. Von Tom Mustroph
Wer sich vom Orient überraschen lassen will, landet unweigerlich in Oman. Das Sultanat am östlichen Rand der arabischen Halbinsel verbindet zahlreiche kulturelle und landschaftliche Reize mit dem Vermeiden der Nachteile der Nachbarstaaten. Die politische Situation ist wesentlich stabiler als in Jemen. Die Ölquellen sprudeln weniger reichlich als in den Vereinigten Arabischen Emiraten, was den Vorteil hat, dass es weniger Protzbauten und auch ein weniger großes soziales Gefälle als in Dubai oder Abu Dhabi gibt. Die Gesellschaft hat sich sanfteren Schritts der westlichen Moderne angenähert und die Widersprüche besser moderiert. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien, ebenfalls ein Nachbar, ist das politische und kulturelle Klima freizügiger.
Das bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist. Im vergangenen Jahr wurden etwa Journalisten inhaftiert, die über Korruption im Justizwesen berichteten. Hohe Funktionäre kämen mit weniger hohen Strafen als üblich davon, lautete die Kritik, die zu Haft und Publikationsverbot führte. Für die Gesellschaft spricht, dass Journalisten es für normal halten, darüber zu berichten, und dass sie auch von einer Resonanz unter ihren Lesern für solche Themen ausgehen. Gegen sie, natürlich, dass man dafür im Gefängnis landet.
Für Besucher ist interessant, dass sich einiges von der Kultur des einstigen Seefahrer- und Händlervolks erhalten hat. Das drückt sich in traditionellen Souks aus, den malerischen Festungsanlagen, deren Stil die portugiesischen Kolonisatoren im 16. Jahrhundert einführten, und auch in Bräuchen wie dem populären Stierkampf. Nicht zuletzt ist Oman landschaftlich reizvoll. Von den Sandstränden im Großraum Maskat ist es nicht weit zu den rötlichen Felsen des imposanten Hadschar-Gebirges. Die Wadis, enge Täler und Schluchten, entpuppen sich als überraschende Oasen. Und wer Wüste will, bekommt davon auch noch genug.
Politisches Zentrum ist die Hauptsstadtregion Maskat. Etwa eine Million Menschen leben hier, allerdings über eine Fläche von etwa 60 Kilometer längs der Küste und bis zu zehn Kilometer ins Inland hinein verstreut. Resultat ist der ab den 1970er Jahren entstandene Siedlungsbrei. Dabei wurde allerdings auf schrille Architektursolitäre wie auch uniforme Hochhausblocks verzichtet. Viele Fassaden weisen traditionelle Elemente auf.
Alt-Maskat ist ein verschlafenes Regierungsstädtchen mit dem Sultanspalast, zwei malerischen Forts und einem kleinen, von Felsen umschlossenen Hafen. Nur rund 24 000 Menschen leben hier. Einige Teile der Altstadt sind nicht zugänglich, wenn der Sultan gerade vor Ort ist, und erst recht nicht, wenn er hohen Besuch hat. Dass sich innerhalb nur einer Woche UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Irans Präsident Hassan Rouhani und Kuwaits Emir Sheikh Sabah al-Ahmad al-Dschabir as-Sabah sowie eine hochrangige indische und eine französische Militärdelegation im Lande aufhielten, spricht für die Mittlerfunktion, die Sultan Qaboos mittlerweile international einnimmt.
Global zu denken hat Tradition. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Oman Kolonialmacht. Größter Besitz war die Insel Sansibar. Eine Vorbildfigur für den legendären Seefahrer Sindbad stammt aus Oman. Noch heute versucht die nördlich von Maskat gelegene Hafenstadt Sohar mit der Behauptung, Geburtsort Sindbads zu sein, Touristen anzulocken. Historisch besser verbürgt ist ein anderer Seefahrer aus Sohar: Ahmed bin Majid soll sogar als Navigator dem Portugiesen Vasco da Gama den Seeweg nach Indien gezeigt haben. Ahmed bin Majids schöner Ausspruch »Maskat ist ein Hafen, wie er nirgendwo auf der Welt gefunden werden kann, in dem es Handel und gute Waren gibt, wie man sie nirgendwo anders findet« gilt wegen des Mangels an öffentlicher Infrastruktur heutzutage eher für das benachbarte Muttrah, das ebenfalls zur Hauptstadtregion gehört.
Muttrah besitzt einen lebhaften Hafen, in dem traditionelle Fischerboote neben Kreuzfahrtschiffen ankern. Eine geschwungene Uferpromenade fasst den Hafen ein. Der Souk in der Innenstadt ist groß genug, sich darin kurz zu verlieren, aber nicht so riesig und verwirrend, um tatsächlich verloren zu gehen. Auch die Händler wirken gelassener als etwa in Dubai und bedrängen die Kundschaft kaum.
Unter die blau-goldene Kuppel der Moschee des Großen Propheten an der Corniche und unweit des Eingangs zum Souk wird der Nichtmuslim leider nicht gelassen. Das ist vor allem deshalb schade, weil sie zu den wenigen alten Moscheen gehört. Die prunkvolleren und vor allem größeren wurden in den letzten 30 Jahren errichtet, allen voran die gigantische und schon von der Autobahn aus sichtbare Sultan Qaboos Moschee inmitten der Hauptstadtregion.
Wer das Treiben der Hauptstadt verlassen will - mangels Nahverkehrsnetz muss man sich mit Leihwagen oder Taxi behelfen -, findet in den Gebirgszügen des Hadschar viel Abwechslung. Es locken der »Grüne Berg« (Jebel Akhdar) mit seinen Granatapfel-Plantagen, Festungsanlagen wie Nakhal Fort und Bahla Fort und die zahlreichen zum Teil ausgetrockneten Flussläufe, die Wadis genannt werden. Eines, das Wadi Shab im Süden, gleich an der Autobahn zwischen Maskat und Sur, gilt als der arabische Grand Canyon. Und tatsächlich schnitt der jetzt noch vorhandene Wasserlauf tief in die Gesteinsschichten ein.
Man kommt in das Wadi nur, wenn man sich von Einheimischen in einem Boot ans andere Ufer übersetzen lässt oder, ganz abenteuerlich gestimmt, die Hosen bis über die Knie hochkrempelt und, dem Verlauf der Furt folgend, das Wasser durchwatet. Danach geht es am Ufer über Stock und Stein weiter, zuweilen hilft eine betonierte Fläche. Man passiert Wasserbecken, die zur Trinkwasserversorgung genutzt werden. Man erklimmt Plateaus, von denen aus der Blick weit schweifen kann - und sieht zuweilen über sich noch Bergziegen in die dünne Luft meckern. Die Blumen- und Blütenlandschaft im fruchtbaren Wadi überrascht. Mehr noch die Becken tiefblauen Wassers. In den weiter hinten im Tal gelegenen Becken darf man sogar baden. Man ist in einem ganz eigenen Universum gelandet, frei von kommerzieller Nutzung. Touristen aus Europa, Asien und Amerika mischen sich mit Einwohnern Dubais, die für einen Tagesausflug über den Highway gerauscht sind, um auch einmal ein Naturerlebnis zu haben. Picknick wird geteilt, man fotografiert einander. Und für einen Moment gibt man sich dem Traum hin, wie schön, wie harmonisch doch das Zusammenleben von Menschen der verschiedensten Kulturen sein könnte. Bei einbrechender Dämmerung steigt jeder wieder in sein Auto. Die Leute aus Dubai in ihre protzigen Geländewagen, die anderen Touristen in ihre Leihwagen und Busse. Jeder strebt wieder seiner eigenen Welt zu.
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