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Mélenchon: Keine Mehrheit für Zerstörung des Arbeitsrechts

Elsa Koester über die Folgen einer möglichen absoluten Mehrheit von Marcons »En Marche« im Parlament

  • Lesedauer: 3 Min.

Es lebe der König! So in etwa lauten die Jubelrufe rund um den Gewinner der ersten Runde der Parlamentswahlen, Emmanuel Macron. Als zweiter Charles de Gaulle wird er gehandelt, als Napoleon gar. »Kann er über Wasser laufen?« fragte ein französischer Fernsehmoderator am Sonntagabend ungläubig. In Bewegung kommen wollte Macron mit seiner Partei, die Parlamentswahlen sorgten für einen beispiellosen Durchmarsch. Über 32 Prozent erhielt »En Marche« in der ersten Runde – und könnte damit in der zweiten sogar auf 390 bis 430 Sitze in der Nationalversammlung kommen. Von 577! Absolute Mehrheit - sie wäre bereits bei 289 Sitzen erreicht - ist dafür gar kein Ausdruck.

Dass sich dafür jedoch nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte zur Urne bemühte, macht scheinbar nichts. Während Frankreichs Linke darauf hinweisen, dass bei dieser historisch niedrigen Wahlbeteiligung das Parteiensystem der V. Republik für tot erklärt werden kann, bejubelt der ARD-Korrespondent in der Tagesschau das starke »Votum für ein neues Frankreich«. Mehr noch, von einer »Revolution« wird gesprochen, in Anlehnung an Macrons eigenes Buch.

Ähnliche Töne schlagen SPD und Grüne an. Während Politikwissenschaftler*innen in Frankreich besorgt darauf hinweisen, dass bei einer absoluten »En Marche«- Mehrheit von über 75 Prozent die Opposition faktisch machtlos wird, wünscht der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold Macron fröhlich eine »starke Mehrheit«: »Macron und Hulot sind die größte Chance, die Frankreich und Europa haben!« Und Martin Schulz, der angesichts der auf zehn Prozent abgestürzten französischen Sozialdemokraten vielleicht nachdenklichere Töne anschlagen sollte, freut sich lieber über Macrons »gutes Ergebnis«: »Um Europa zu reformieren, brauchen wir im September auch in Deutschland den Wechsel!«

Der »Wechsel«, der die Französ*innen erwartet, heißt vor allem: Liberalisierung des Arbeitsrechts. Macron ist mit dem Versprechen angetreten, über Arbeitszeiten, Löhne und die Bezahlung von Überstunden nicht mehr in den Branchen zu verhandeln, sondern in den Betrieben. Das käme einer Entmachtung der Gewerkschaften gleich. Zudem soll die Beschäftigung im Niedriglohnsektor durch einen Wegfall von Sozialabgaben belohnt werden, Überstunden gänzlich von Sozialabgaben ausgenommen. Der »Wechsel« ist damit nichts anderes als die Ausweitung des »Loi Travail«, das in Frankreich 2016 über Monate hinweg Hunderttausende auf die Straßen trieb und anschließend von den jetzt abgestraften Sozialdemokraten per Dekret am Parlament vorbei durchgesetzt wurde. Auch Macron will sein Arbeitsgesetz per Verordnung durchsetzen – damit es schneller geht. Nun, Regierungsdekret oder Parlamentsentscheidung: Das ist im neuen absolutistischen Parlamentarismus bald womöglich das Gleiche.

Jean-Luc Mélenchon nannte das politische System in Frankreich während seines Wahlkampfs eine »Präsidialmonarchie«. Spätestens jetzt ist wohl klar, was der Linkspolitiker damit meinte. Doch ob der linke Star, der keine linke Wahlallianz eingehen wollte und in seiner Partei »La France Insoumise« nur wenig weitere starke Politiker*innen vorzuweisen hat, einen Vorreiter der demokratischen Bewegung darstellt – ist fraglich. Jedenfalls machte er noch am Wahlabend deutlich, dass er weiterhin vor hat, dem Durchmarsch Macrons Grenzen zu setzen: »Die Stimmenthaltung zeigt, dass es in diesem Land keine Mehrheit gibt, um das Programm der Zerstörung des Arbeitsrechts anzuwenden.« Mit den elf bis 21 Sitzen im Parlament wird die Linke zwar nicht weit kommen. Doch wenn die Opposition im Parlament fehlt, findet sie sich meist auf der Straße wieder.

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