Die Würde der Völker
Friedensnobelpreisträger debattierten in Argentinien
León Giecos Stimme liegt über dem Monumento a la Bandera, dem riesigen Denkmal für die argentinische Flagge in der Stadt Rosario. Gemeinsam mit 20 000 vor der Bühne singt er die Hymne der argentinischen Menschenrechtsbewegung. Der Anlass ist ein besonderer: Am Wochenende waren fünf Friedensnobelpreisträger zusammengekommen, um über Frieden und Gerechtigkeit zu debattieren. Unter dem Motto »VoyXLaPaz« hatte die »Fundación para la Democracia Internacional« das Treffen organisiert. Auf der Bühne ist die Iranerin Shirin Ebadi dabei, die erste Richterin in Teheran, die vom Mullah-Regime vertrieben wurde. 2003 erhielt sie für ihren Kampf für die Rechte der Frauen und Kinder den Friedensnobelpreis. Óscar Arias, Costa Rica ehemaliger Präsident, wurde 1987 für seinen Friedensplan für das vom Krieg zerrüttet Zentralamerika ausgezeichnet. Rigoberta Menchú aus Guatemala erhielt 1992 den Friedensnobelpreis für ihren Kampf für die Rechte der indigenen Völker. Lech Walesa ist da, der frühere Gewerkschaftsführer aus Polen, der 1983 für seinen Einsatz für freie Gewerkschaften und gegen Unterdrückung ausgezeichnet wurde. Und Adolfo Pérez Esquivel, den man 1980 als Vertreter der argentinischen Menschenrechtsbewegung für seinen Kampf gegen die blutige Militärdiktatur ehrte.
Gerade heute, wo die Mauern wieder hochgezogen werden sollen, wie zwischen den USA und Mexiko, müsse man teilen lernen, sonst werde es keine gerechte Gesellschaft geben, so Pérez Esquivel. Tags zuvor hatten die Fünf ihre Visionen von Frieden und Gerechtigkeit zur Debatte gestellt. Vor dem zumeist jugendlichen Publikum wirkte sie mitunter wie ein Rat der Ältesten. Einig waren sie sich, dass Friede mehr ist als nur die Abwesenheit von Krieg. Hunger, Armut, rassistische und sexuelle Unterdrückung, Unterernährung bei Kindern, die Abwesenheit politischer Freiheit, Unterdrückung und Manipulation von Meinungen, mangelnde Gesundheitsversorgung - das sind nicht einmal alle Punkte auf einer langen Liste von Faktoren, die ein friedliches und gerechtes Zusammenleben verhindern.
So sehr Einigkeit bei den generellen Fragen herrscht, so uneins waren sich zwei der Nobelpreisträger bei der Einschätzung des aktuellen Konflikts in Venezuela. »Der Chavismus hat enorme Fortschritte bei der Überwindung von Armut, Hunger und Ungleichheit gebracht. Das hat den USA nie behagt, die immer Druck gegen die bolivarianische Politik gemacht haben«, prangerte Adolfo Pérez Esquivel die mal offene mal verdeckte US-Einmischung an. Für Óscar Arias hingegen hat »der Chavismus viel Schaden unter der Bevölkerung angerichtet«.
»Wenn es keinen Respekt vor der Würde der Völker gibt, ihrer Kulturen, ihrer Souveränität, wie soll es dann Demokratie geben«, fragte Rigoberta Menchú. Als León Gieco und die 20 000 das »Cinco siglos igual« singen, das Lied von der 500 Jahre anhaltenden Unterdrückung der indigenen Völker Lateinamerikas, fließen bei Rigoberta die Tränen. »Wir alle sind Teil der Völker,« sagt Adolfo Pérez Esquivel. »Der Friede wird uns nicht geschenkt, den Frieden müssen wir aufbauen, wie auch die Demokratie.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.