Neue Regelung, neue Probleme
Ab Donnerstag sind die Roaminggebühren EU-weit Geschichte - es bleiben Fallstricke
Wer oft in Deutschlands Grenzgebieten unterwegs ist, kennt sie - die SMS des Mobilfunkanbieters, dass man sich nunmehr nicht mehr im Tarifgebiet des Anbieters befinde und zusätzliche Kosten beim Telefonieren und Surfen möglich sind. Auch im Urlaub kostete ein Anruf nach Deutschland schnell mal ein Vielfaches der gewohnten Tarife. Das soll sich nun ändern, ab dem 15. Juni fallen die sogenannten Roaminggebühren innerhalb der EU weg. In allen 28 Ländern der EU sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen können deutsche Kunden dann zu Inlandspreisen telefonieren, simsen und surfen.
Verbraucherschützer hatten eine solche Neuregelung seit Jahren gefordert, doch die EU-Kommission sträubte sich ein wenig, versuchte zuletzt sogar noch, die Gebührenfreiheit im Ausland auf 90 Tage pro Jahr zu beschränken. Da das EU-Parlament aber dagegen stimmte, ist die Verordnung zur Änderung der früheren Roamingverordnung von 2012 seit April 2017 beschlossene Sache.
»Roaminggebühren sind eine unzeitgemäße Schwester des Geoblockings, eine Vermarktungsstrategie der großen Marktplayer gegenüber den VerbraucherInnen, die sich grenzüberschreitend in Europa bewegen wollen oder müssen«, frohlockte damals die EU-Linkspartei-Abgeordnete Martina Michels. Allerdings ist in der Praxis dennoch alles ein wenig komplizierter: So zeigte eine Studie der Zeitschrift »Finanztest«, dass 9 von 16 Mobilfunkanbietern ihre Leistungen im EU-Ausland nun einschränken, so dass am Ende wohl doch Zusatzkosten entstehen. Bei einigen Providern sind etwa sogenannte Community-Verbindungen zwischen Kunden desselben Anbieters nur im Inland kostenlos oder günstiger, aber nicht im Ausland.
Auch das Computermagazin »c’t« hat eine verbraucherfeindliche Lücke in der Neuregelung gefunden: Urlauber und grenzüberschreitende Pendler müssen demnach in einigen kleineren Ländern oder Gebieten vorsichtig sein. In der Schweiz, auf der Isle of Man, auf den britischen Kanalinseln und in Ländern wie San Marino, Andorra und Monaco gilt die EU-Verordnung nicht. Manche Anbieter ordnen diese Gebiete allerdings trotzdem der EU-Länderliste zu, der Verbraucher muss seinen Anbieter gegebenenfalls danach fragen. Auch auf Schiffen oder in Flugzeugen, die Daten via Satellit vermitteln, gilt die EU-Regelung nicht.
Die Gefahr ist auch, dass die Anbieter nun ihre Preise erhöhen, um die durch den Wegfall der Roaminggebühren gesunkenen Einnahmen zu kompensieren. Um das zu unterbinden, hatte die EU-Kommission vergangene Woche rechtliche Schritte angedroht. Einige Anbieter hätten Erhöhungen angekündigt, die wahrscheinlich nicht mit den Regeln vereinbar seien, schrieb der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizekommissionschef Andrus Ansip in seinem Blog.
Grundsätzlich ist durch den Tarifdschungel bereits innerhalb eines Landes noch unklar, ob wirklich alle Kunden in den Genuss der Änderung kommen. Probleme könnten etwa Nutzer von Prepaid-Karten ohne festes Daten- und/oder Telefonievolumen bekommen. Zudem gibt es inzwischen immer mehr reine Deutschlandtarife, bei denen die Anbieter eine Nutzung jenseits der Landesgrenzen technisch ausschließen.
Zudem gibt es die sogenannte Fair-use-Regelung, die verhindern soll, dass sich Kunden beim billigsten Anbieter innerhalb Europas anmelden und so europaweit am günstigsten telefonieren. Bemerken die Anbieter einen solchen Trick - etwa, wenn ein deutscher Kunde eine zweite SIM-Karte nur im Ausland benutzt -, können sie nach einem gewissen Zeitraum eine Extragebühr erheben.
Damit bleiben Verbraucher in einer unbefriedigenden, weil uneinheitlichen Situation: Wer etwa aus Deutschland in Spanien oder Polen anruft, zahlt teils mehr, als wenn er das Telefonat aus einem anderen EU-Land heraus führt. In jedem Land gelten andere Tarife, teilweise gibt es etwa die in Deutschland übliche Drosselung der Übertragungsgeschwindigkeit beim Surfen ab einer bestimmten Obergrenze nicht. Für Gespräche aus dem Heimatland ins Ausland gilt die Neuregelung ohnehin nicht.
Vor einer Reise sollten Kunden daher nachlesen, welche Regelung in ihrem Tarif für Roaming vorgesehen ist, rät die Stiftung Warentest. Ein Umstellen auf andere Optionen sei meist einfach online möglich. Auch Tablet-Nutzer mit einem Datentarif sollten sich vor dem Urlaub oder der Geschäftsreise ins Ausland informieren.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!