Bloß keine falschen Signale setzen
Für die deutschen Fußballer wird der Confed Cup in Russland zu einer diplomatisch heiklen Mission
Bisweilen braucht es schon drei Einweiser, damit Christian Hochfellner mit diesem riesigen Mannschaftsbus den richtigen Dreh findet. Der Busfahrer der deutschen Nationalmannschaft, der vor knapp einem Jahr den Job von seinem Vater Wolfgang erbte, hat es nicht leicht, dass tonnenschwere Gefährt in den Sportpark Kelsterbach oder die Einfahrt zur Villa Kennedy an einer vielbefahrenen Ausfallstraße Frankfurts zu steuern. Gerade das Rückwärtseinparken ist an Trainingsstätte und Teamhotel jedes Mal Millimeterarbeit.
Ein Sinnbild für die Mission, die dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und seinem Aushängeschild bevorsteht. Der am Samstag beginnende Confed Cup, in den der Weltmeister selbst am Montag mit dem Spiel gegen Australien startet (17 Uhr ZDF), gilt als heikle Mission. Nicht nur, weil Joachim Löw bewusst auf alle Stars verzichtet und am Donnerstag mit nur noch 21 Spielern nach Sotschi fliegen wird. Die Mannschaft wird sich auch noch weniger als vor den WM-Turnieren in Südafrika (2010) und Brasilien (2014) dem gesellschaftlichen Kontext entziehen können.
Am Mittwoch stellte DFB-Präsident Reinhard Grindel klar: »Wir wollen über die vier Eckfahnen hinaus einen Beitrag leisten. Schnellschüsse wären aber das falsche Signal.« Ein solches wurde offenbar schon vermieden: Für das zweite Gruppenspiel gegen Chile in Kasan sei zunächst ein Treffen mit der Russisch-Orthodoxen Kirche erwogen worden. Als Amnesty International auf deren Nähe zu Präsident Wladimir Putin aufmerksam machte, erfolgte die Absage des Termins.
»Man sollte vom Fußball nicht erwarten, dass er Probleme und Missstände überwindet, die die Politik auch nicht löst.« Dieses Mantra wiederholt die sportliche Leitung um Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff gebetsmühlenartig, den Rest soll bitteschön der Präsident erledigen, der dieses Parkett besser kennt. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Fernsehjournalist wagte sich immerhin, die massenhafte Verhaftung Oppositioneller am Montag zu kritisieren: Auch Russland sei zur Einhaltung von Meinungs-, Presse- und Demonstrationsfreiheit verpflichtet. »Nach unserer Vorstellung löst man die Proteste einer starken Bürgergesellschaft mit Dialog und nicht durch Haftstrafen.«
Grindel machte gleichzeitig deutlich, dass der DFB vor allem auf die Integrationskraft des Fußballs baut, indem etwa die 90 bestehenden Städtepartnerschaften bespielt werden könnten. »Die Menschen der Zivilgesellschaft sollen sich begegnen - nicht nur die Mächtigen.« Ansonsten stellte der in Welt und Europaverband an den Schalthebeln sitzende DFB-Boss abermals die weitere Zukunft des Confed Cups infrage. Auf die Erweiterung der WM bezogen, sagte er: »Wenn wegen der WM 2026 an einer Stelle zusätzliche Belastung entsteht, muss man an anderer Stelle für Entlastung sorgen«. Grindel forderte Dopingkontrollen durch die Welt-Antidoping-Agentur, erwartet klare Absagen an den Hooliganismus und äußerte sich zum Einsatz nordkoreanischer Arbeiter auf den WM-Baustellen: »Die FIFA hat eine Institut für Arbeitsrecht eingeschaltet, es hat Inspektionen gegeben.«
Der 55-Jährige hält überdies am Samstag beim Petersburger Dialog eine Grundsatzrede zur gesellschaftlichen Verantwortung des Fußballs, bevor er sich mit den FIFA-Kollegen das Eröffnungsspiel zwischen Russland und Neuseeland anschauen wird.
Bundestrainer Löw will, dass die Spieler »hinter die Kulissen schauen, Augen und Ohren offen halten, nicht mit Scheuklappen durchs Land reisen« - aber Grindel bestätigte, dass die Kontaktmöglichkeiten im eng getakteten Zeitplan zwischen Hotel, Training und Reisen allein aufgrund von Sicherheitsaspekten minimiert sein werden. »Ich warne vor allzu großen Erwartungen«, so Grindel, der mehr Begegnungen bei der WM 2018 verspricht, »wenn wir länger im Land sind«.
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