Die Sbornaja liefert
Russland startet mit einem engagierten 2:0 gegen Neuseeland in den Confederations Cup
War es nun eine Zumutung für die Spieler, sich in Reih und Glied aufstellen und den Eröffnungsreden des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino lauschen zu müssen? Wann hatte es das bei großen FIFA-Turnieren zuletzt gegeben, dass die Spieler der Gastgeber und ihres Kontrahenten schon auf dem Rasen stehen müssen, bis die Granden auf den Ehrentribünen ihre Sonntagsreden zu Ende gebracht haben?
»In den modernen Fußballarenen gibt es den harten, ehrlichen, fairen Kampf bis zur letzten Minute des Spiels«, deklamierte Putin, der 20 Minuten zuvor per Helikopter am Ufer der nahegelegenen Newa gelandet war. Putin sprach von den Werten des Sports, die Nationen und Kontinente vereinen könnten. Gespannte Stille herrschte während des akkustisch schwer verständlichen Vortrags, fast hätte man in dem Geraune meinen können, ein Buhen läge in der Luft. Doch als Wladimir Wladimirowitsch seine Rede mit einem »Dobro poschalowatsch!« (»Herzlich willkommen!«) beendete, zeigte das teure neue Krestowski-Stadion erstmals, was es kann: Der Lärmpegel, den die jubelnden Zuschauer erzeugten, war außerordentlich.
Fast so außerordentlich wie es der Optimismus des Schweizer FIFA-Chefs offensichtlich ist. Infantino lud in seiner Ansprache die Fans nach Russland ein und sparte bei seiner Lobpreisung nicht am Superlativ: »Kommen Sie nach Russland! Sie werden das beste Fußballturnier aller Zeiten erleben!« Auf dem Rasen standen die Spieler des gastgebenden 63. und des 95. der Weltrangliste und mühten sich, die gut gedehnten Oberschenkel locker zu halten.
»Wir wussten, was kommen würde« sollte Neuseelands Trainer Anthony Hudson nach dem Abpfiff des russischen 2:0-Sieges über die Turniereröffnung sagen. Als Ausrede für den schwachen Anfang seiner Elf wollte er das Gewarte vor dem Anpfiff nicht gelten lassen. »Wir sind einfach nicht ins Spiel gekommen, denn die Russen waren sehr, sehr gut.«
Schnell und scharf ließen die Gastgeber den Ball durch die Reihen laufen. Die beiden Spitzen Fjodor Smolnow und Dimitri Poloz sorgten für Unruhe rund um den Strafraum, den die hart verteidigenden Kiwis zum Abwehrbollwerk umfunktioniert hatten. Im Mittelfeld allerdings zeigte sich, dass Russlands Trainer Stanislaw Tschertschessow vor dem Confed Cup hatte umbauen müssen. So mancher Pass aus dem Zentrum lief ins Leere, und die Außenverteidiger hatten im Spielaufaufbau so ihre Mühe, wenn die Neuseeländer es schafften, so etwas wie Pressing aufzuziehen.
»Rossija, Rossija!« machten die Fans ihren Spielern Mut. Nach 31 Minuten war es dann schließlich soweit, als Denis Gluschakow allein im Strafraum an den Ball kam und ihn über Keeper Stefan Marinovic hinweg gen Tor weiterleitete. Gluschakow setzte nach, so dass der herbeigeeilte Boxall bei seinem Rettungsversuch gar nicht anders konnte als den Ball ins eigenen Tors zu schieben. 1:0, das Stadion feierte - ein Fahnenmeer in Weiß-Rot-Blau.
50 000 Menschen sollen es beim Auftakt gewesen sein, Immerhin für 57 000 Zuschauer ist die Arena beim Turnier zugelassen. Freie Ränge beim Auftaktspiel des Gastgebers, kein Drama, aber ein Fingerzeig. Zumal es für Russen sogar die eigene Preiskategorie 4 gibt, bei der 960 Rubel für eine Karte fällig werden (etwa 15 Euro). Beim Auftaktspiel waren es 1350 Rubel (20 Euro).
Nach der Halbzeitpause nahm die Überlegenheit der Russen deutlich zu. Mit ihren unermüdlichen Kombinationen hatte die Sbornaja die wenig talentierten Ozeanier müde gespielt. Das 2:0, das Angreifer Fjodor Smolov in der 69. Minute erzielte, war absolut folgerichtig. »Uns war es wichtig, dass die Zuschauer sich in unsere Mannschaft verlieben«, sagte Torschütze Smolow später. Der Stürmer wurde im Anschluss zum »Player of the Match« gewählt. Gleichermaßen verdient hätte den Titel womöglich auch Torwart Stefan Marinovic auf Seiten Neuseelands: Der Keeper vom deutschen Regionalligisten SpVgg Unterhaching klärte mehrfach spektakulär gegen Smolow und Co. Für Viertligaspieler wie ihn ist der Confed Cup ein Lebensereignis.
Auch der russische Nationaltrainer Tschertschessow, einst selbst für die UdSSR und Russland zwischen den Pfosten, lobte den Keeper des Gegners. Bei seiner Mannschaft hingegen sah er noch reichlich Verbesserungspotenzial. Das Warten bei den Reden vorm Anpfiff hingegen wollte er nicht negativ sehen: »Wenn der Präsident Ihres Landes für eine Rede zu Ihnen ins Stadion kommt, motiviert das natürlich besonders.«
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