Viel Lob für Portugals Finanzpolitik
Ex-Krisenland aus dem EU-Defizitverfahren entlassen - noch schnellere Rückzahlung von IWF-Krediten
Portugal kann das Verfahren der EU-Kommission wegen eines zu hohen Defizits nun verlassen. Das hat der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis über Twitter mitgeteilt und dem Land für seine »Leistungen« gratuliert. Er zeigte sich »zufrieden« darüber, dass die EU-Finanzminister auf ihrem Ecofin-Treffen am vergangenen Freitag »den Empfehlungen für ein Ausscheiden aus dem Verfahren« gefolgt seien, erklärte Dombrovskis vor Journalisten in Brüssel.
Der Schritt war erwartet worden. Es hätte auch keinen Grund mehr gegeben, ihn zu verweigern. Portugal ist es nämlich im vergangenen Jahr nicht nur gelungen, das Haushaltsdefizit unter die EU-Stabilitätsmarke von drei Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zu senken, sondern das Land schaffte es auch, deutlich unter der Vorgabe der Kommission von 2,5 Prozent zu bleiben. Nachdem die Linksregierung vor 19 Monaten den Austeritätskurs beerdigte, ist es gelungen, ein nachhaltiges Wachstum zu erzeugen. Das versetzte Portugal bereits mehrfach in die Lage, die relativ teuren Kredite beim Internationalen Währungsfonds (IWF) vorzeitig zurückzuzahlen.
Nun setzt Lissabon zum noch größeren Befreiungsschlag an: In 30 Monaten sollen weitere 9,4 Milliarden Euro an IWF-Schulden vorfristig beglichen werden. Sobald man die »formale Genehmigung« der EU-Kommission für diesen Schritt habe, werde mehr als eine Milliarde Euro überwiesen, erklärte Finanzminister Mário Centeno. Von den 26,3 Milliarden, die der IWF einst beim EU-Rettungsprogramm für Portugal bereitstellte, würden dann noch 4,8 Milliarden übrig bleiben.
Den Austeritätskurs, der Griechenland weiter aufgezwungen wird, hat Lissabon längst hinter sich gelassen. Löhne und Renten, welche die konservativen Vorgänger einst gesenkt hatten, wurden wieder erhöht und Steuererhöhungen zurückgenommen. Damit wurden der Binnenkonsum und die Konjunktur gestärkt. Die Arbeitslosenrate ist deutlich auf inzwischen 9 Prozent gesunken, während sie in Griechenland noch bei über 23 Prozent liegt. Dies sorgte wiederum für eine Entlastung der Sozialkassen und höhere Steuereinnahmen.
Diesen wirtschaftspolitischen Kurs hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch vor einem Jahr verteufelt. Er prognostizierte, Portugal müsse deshalb bald wieder unter den Rettungsschirm ESM kriechen. Dessen Chef Klaus Regling assistierte mit der Aussage: »Das einzige Land, das mir Sorge macht, ist Portugal.«
Davon ist nun nichts mehr zu hören. Selbst Schäuble kommt nicht mehr um Lob für Portugal herum und nennt den dortigen Finanzminister Mário Centeno den »Ronaldo der Ecofin«. Mit den vorzeitigen Rückzahlungen komme das Land in den Genuss deutlich niedrigerer Zinskosten, so Schäuble. Portugiesische Medien zitieren den deutschen Finanzminister mit den Worten, dass es mit der Genehmigung keine Probleme geben werde.
Gerechnet wird damit, dass Portugal sich Zinszahlungen in Höhe von fast 700 Millionen Euro ersparen kann - Gelder, die stattdessen in Infrastrukturinvestitionen, Bildung und Sozialleistungen fließen können. Der IWF verlangt für die damaligen Nothilfekredite 4,3 Prozent Zinsen pro Jahr, während sich Portugal aktuell dank der Niedrigzinsphase im Euroraum für kaum mehr als 3 Prozent Geld am Kapitalmarkt besorgen kann, erklärte Ricardo Mourinho Félix. Damit sichere man die Finanzierung und sorge für »deutlich reduzierte Kosten«, fügte der portugiesische Finanzstaatssekretär an.
Indes stufen die großen Ratingagenturen Anleihen des Landes immer noch als »Ramsch« ein. Wäre Portugal nicht lange schlechtgeredet worden, hätte man längst ein besseres Rating und damit noch günstigere Finanzierungsbedingungen. Aus dem Primärüberschuss im Staatshaushalt - ohne Schuldendienst - wäre vermutlich ein realer Haushaltsüberschuss geworden, womit Schulden auch nominal gesenkt werden könnten.
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