Weltflüchtlingstag: Für ein offenes Europa
Organisationen weisen auf weltweite Konflikte und Gefahren auf der Flucht hin
Noch nie waren weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie im Moment. Mehr als 65 Millionen Geflüchtete wurden 2016 vom UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) registriert. Das ist die bisher höchste registrierte Anzahl von Menschen, die von Vertreibung und Flucht betroffen sind. Mehr als die Hälfte der Menschen, die sich auf der Flucht befinden, sind minderjährig. Im letzten Jahr wurden 75.000 Asylanträge von Kindern gestellt, die allein oder von ihren Eltern getrennt fliehen mussten.
Regierungen und Hilfsorganisationen erinnerten anlässlich des Weltflüchtlingstag an das Schicksal Millionen entwurzelter Menschen. Die Vereinten Nationen würdigten den Einsatz der Menschen, die den Flüchtenden zur Seite stehen. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi lobte Dörfer, Städte und Gemeinden, die Geflüchteten ein Zuhause bieten. »Wir leben in einer Welt mit viel Ungewissheit, in wirtschaftlich labilen Zeiten, mit politischen Umbrüchen und Gewalt - manchmal möchten wir die Augen und unsere Türen davor schließen«, sagte Grandi am Dienstag. »Aber Angst und Ausschluss machen die Lage nicht besser für uns, das bringt nur Hürden, Entfremdung und Verzweiflung.«
Seit 2012 ist die Anzahl an Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, stetig angestiegen, wie aus dem Global Trends Report des Flüchtlingshilfswerks der UN hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr sind 300.000 Menschen neu auf der Flucht. Die meisten Geflüchteten leben in Ländern des globalen Südens. Fast zwei Drittel der Menschen auf der Flucht sind Vertriebene im eigenen Land und besonders gefährdet. Die Länder mit den meisten Binnenvertriebenen sind Syrien, Irak und Kolumbien.
Organisationen wie »Pro ASYL« und der Paritätischer Gesamtverband forderten in einer gemeinsamen Erklärung zum Weltflüchtlingstag die Staats- und Regierungschefs auf, für ein offenes Europa einzutreten. Die Organisationen warnten vor einer Verlagerung der Verantwortung für Geflüchtete an Staaten, in denen Schutzsuchende der Rechtsunsicherheit und Aussichtslosigkeit ausgesetzt werden. Zudem wiesen die Nichtregierungsorganisationen darauf ihn, dass eine den Menschenrechten verpflichtete Politik nicht anders handeln dürfe, als Geflüchtete in Seenot zu retten. Nichtstaatliche Seenotrettungsorganisationen sollten nicht kriminalisiert, sondern unterstützt werden. Sie fordern daher die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, durch humanitäre Visa und Neuansiedlungs-Programme Alternativen zur lebensgefährlichen Flucht schaffen.
Die Organisation »Sea-Watch« und Seenotreetungsorganisationen wie »Jugend Rettet« und »Humanitarian Maritime Rescue« forderten ebenfalls legale Fluchtwege nach Europa. In Berlin stellten am Dienstag sieben Nichtregierungsorganisationen, die im Mittelmeer tätig sind, ihre Forderungen an die Europäischen Union vor. Die EU müsse selbst Schiffe für die Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer einsetzen. Zudem dürfe die libysche Küstenwache nicht weiter mit EU-Geldern gefördert werden. Die Küstenwache behindere die Arbeit der Flüchtlingsorganisationen und gefährde dadurch das Leben der Geflüchteten und der ehrenamtlichen Retter. In den vergangenen Monaten seien von libyscher Seite bei Rettungseinsätzen wiederholt Schüsse gefallen.
2016 habe es mehr Tote als je zuvor im Mittelmeer gegeben, kritisierte der Vorstandsvorsitzende von »Sea-Watch«, Frank Dörner. Deshalb fordern die Organisationen die EU auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Menschenleben zu retten. »Wir fordern damit grundlegende Menschenrechte ein, nichts Unmögliches«, betonte Dörner.
2,8 Millionen Menschen verließen 2016 ihre Heimat, um Schutz zu suchen. Am Wochenende waren tausende Geflüchtete und Migranten von seeuntüchtigen Booten im Mittelmeer geborgen worden. Seit Beginn des Jahres sind laut der Internationalen Organisation für Migration mehr als 81.000 Menschen über das Mittelmeer geflohen. Fast 2.000 Männer, Frauen und Kinder hätten die gefährliche Überfahrt nicht überlebt oder gelten als vermisst. Agenturen/nd
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