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Steinbrück und Schäuble schauten weg

Opposition sieht Verantwortung für Cum-Ex-Skandal bei der Führung des Bundesfinanzministeriums

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die Koalition ist eine lästige Sache vom Tisch. Am Montagabend tagte der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages nach über einjährigem Bestehen ein letztes Mal in einer nichtöffentlichen Sitzung. Am Freitag wird zwar im Bundestag noch mal über dessen Abschlussbericht debattiert. Doch ist die Arbeit des Ausschusses, den SPD und Union eigentlich als unnötig ansehen, damit schon getan. Dabei sollten die Abgeordneten Licht ins Dunkle des wohl größten Steuerskandals der Geschichte der Bundesrepublik bringen.

Etliche Banken und Prominente waren in diese Deals verwickelt. Auch Landesbanken wie die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und HSH Nordbank mischten mit. Erste Schätzungen gingen von zwölf Milliarden Euro aus, die mit diesen Deals rund um den Dividendenstichtag vom Fiskus erschlichen wurden. Neuere setzen den Schaden zwar niedriger an, aber mit der Einberechnung der ähnlich gestrickten Cum-Cum-Deals kommen diese sogar auf mindestens 31,8 Milliarden Euro Schaden.

Zu besonderer Bekanntheit gelangten die auf Cum-Ex-Deals basierenden Sheridan-Fonds, die die Schweizer Privatbank Sarasin vertrieben hatte. Prominente wie der Drogerieunternehmer Erwin Müller oder der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer legten darin Millionen an und gingen am Ende juristisch gegen die Bank vor. Denn die Bundesregierung schloss zwischenzeitlich die Lücke, die diese Geschäfte ermöglicht hatte. Das Geld der Anleger war erstmal weg. Zuletzt bekam jedoch der Milliardär und Chef der gleichnamigen Drogeriekette Müller Recht zugesprochen. Das Landgericht Ulm sah es als erwiesen an, dass er Opfer einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung geworden sei, und verdonnerte die Schweizer Bank zu einer Zahlung von 45 Millionen Euro.

Die Opposition indes wirft SPD und Union mangelnden Aufklärungswillen vor, weshalb sowohl Grüne als auch LINKE ein Sondervotum zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses vorlegten. Wie weit der Aufklärungsunwille der Koalition ging, zeigt ein Blick im Votumsentwurf der LINKEN: Selbst Prospekte zu eben jenen Sheridan-Fonds wurden vom Ausschussvorsitzenden Hans-Ulrich Krüger (SPD) als geheim eingestuft.

Als die LINKE das ändern wollte, stimmten die Koalitionsfraktionen dagegen.
Dass Union und SPD offenbar nicht so genau wissen wollen, wie alles gelaufen ist, liegt vielleicht auch daran, dass der Cum-Ex-Skandal nicht nur ein Beispiel ist, wie ein Netzwerk aus Anlegern und Banken sich mit Hilfe von Anwälten und gekauften Gutachten jahrelang auf Kosten der Allgemeinheit bereicherte. Zumindest für die Opposition stehen die dubiosen Deals für ein eklatantes Versagen des Bundesfinanzministeriums. »Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble tragen die Verantwortung«, verweist Ausschuss-Obmann Richard Pitterle von der LINKEN darauf, dass derzeit ein Unionspolitiker das Ministerium führt und vor ihm ein SPD-Mann dran war. Die Behauptung von CDU/CSU und SPD, seitens der Finanzverwaltung seien keine Fehler gemacht worden, sei deshalb »angesichts der Faktenlage ein fast schon bemitleidenswerter Versuch«, die beiden Politiker aus der Schusslinie zu bringen.

Schließlich ließ sich das Ministerium reichlich Zeit, die Cum-Ex-Deals unmöglich zu machen. Erste Hinweise, dass die mehrfache Rückerstattung einer einmal gezahlten Kapitalertragssteuer möglich sei, gab es bereits 1978. Zumindest eine Abhandlung mit dem Titel »›Dividendenstripping‹ im Zwielicht« der Hessischen Landeszentralbank aus dem Jahre 1992 hätte den interessierten Leser stutzig machen können. Doch erst ein Schreiben aus dem Jahre 2002 brachte die Mitarbeiter aus dem Ministerium auf den Trichter.

Das kam ausgerechnet vom Bundesverband deutscher Banken. Der Lobbyverband schrieb dem Ministerium darin, dass zusätzlichen Regelungen notwendig seien, »um dem Fiskus die Kapitalertragssteuer betragsmäßig zur Verfügung zu stellen, die dem Anrechnungsanspruch entspricht«. Doch geschehen ist zunächst nichts. Erst mit dem Jahressteuergesetz 2007 reagierte das Ministerium, indem es einfach die Vorschläge der Bankenlobbyisten übernahm. Doch der Verband ließ eine Lücke, die erst 2012 endgültig geschlossen wurde: Cum-Ex-Deals blieben zunächst möglich, wenn sie über eine ausländische Bank getätigt wurden.

»In den Zeugenbefragungen des Untersuchungsausschusses erklärten die zuständigen Beamten aus dem Ministerium, dass sie unterbesetzt und fachlich überfordert gewesen seien«, erzählt Pitterle. Diese Überforderung ging sogar so weit, dass gerne die Arbeit eines ehemaligen Finanzrichters angenommen wurde, der mal für das Ministerium arbeitete und mal auf der Gehaltsliste von Bankenverbänden stand.

Personalmäßig hat sich in dem Ministerium bis jetzt trotzdem nichts getan- Arbeiteten 2007 insgesamt 1805 Personen in dem Ministerium, so waren es Anfang 2017 lediglich 35 Personen mehr, wie eine nd-Anfrage des Ministeriums ergab. Und auch in Sachen Bankenaufsicht Bafin gibt es nur wenig Einsicht im Ministerium. »Die Bafin hat nicht die Aufgabe, Steuergesetze zu vollziehen«, sagte Schäuble im Februar über die ihm unterstellte Behörde. Kritiker werfen der Behörde vor, dass sie frühzeitig hätte tätig werden können, weil sie die Banken eh überwacht. Doch die Bafin schaute lieber weg. Wie viele andere auch.

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