Als Bayern am Panama-Kanal lag
Vor 25 Jahren wurde die umstrittene Main-Donau-Wasserstraße fertiggestellt
Bayerns Ex-Ministerpräsident Max Streibl (CSU) hielt ihn für ein »Jahrhundertprojekt«, in Festreden pries ihn die Staatsregierung schon mal als »weiß-blauen Panama-Kanal« - den Main-Donau-Kanal im Norden Bayerns. Naturschützer sprachen dagegen von einem »ökologisch-ökonomischen Albtraum«. Kaum ein Mammutprojekt erhitzte einst die Gemüter in Bayern so sehr wie der Main-Donau-Kanal. Daran hat sich bis heute, 25 Jahre nach der Freigabe des letzten Kanalabschnitts, kaum etwas geändert.
Zwar haben sich die Gemeinden entlang der Wasserstraße inzwischen mit dem Kanal arrangiert. Und auch die schweren Landschaftseingriffe erscheinen unter dichtem Grün längst nicht mehr so dramatisch wie in den Anfängen. Der Bund Naturschutz (BN) und andere Naturschutzverbände hadern dagegen bis heute mit den damit verbundenen gravierenden Natur- und Umweltschäden.
Dabei hatten Bund und Freistaat Bayern mit dem Bau des 171 Kilometer langen Kanals einen mehr als 1000 Jahre alten Traum wahr gemacht - den von einer durchgehenden Wasserstraße zwischen Nordsee und Schwarzem Meer. Schifffahrtsbehörde und Tourismusregion Naturpark Altmühl lassen sich daher von der Kritik der Naturschützer nicht beeindrucken. Beide begehen das eigentlich erst Ende September anstehende Jubiläum seit dem Frühjahr mit Schleusenkonzerten, Feuerwerken und Infoveranstaltungen.
Höhepunkt war Mitte Juni zunächst die Eröffnung der »Erlebniswelt Wasserstraße« in der Gössel-thalmühle bei Beilngries (Landkreis Eichstätt). Beleuchtet wird in der Ausstellung neben der »Rolle des Kanals für die Binnenschifffahrt« vor allem seine »Bedeutung als Lebensader für die Region«. Es soll daran erinnert werden, dass über die Wasserstraße jährlich rund 125 Millionen Kubikmeter Donau- und Altmühlwasser ins regenarme Franken geschleust werden. Ohne die sogenannte Wasserüberleitung, so sind Fachleute überzeugt, würden mehrere Mainzuflüsse in heißen Sommern trockenfallen. In wirtschaftlicher Hinsicht hätten sich Politik, Hafenbetreiber und das Nürnberger Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt im Jubiläumsjahr eine bessere Bilanz gewünscht. Die Kanalbetreiber erleben seit 2013 ein stetig sinkendes Frachtaufkommen. Waren zu seinen besten Zeiten noch 8,53 Millionen Tonnen Fracht über den Kanal verschifft worden, waren es 2016 noch 4,6 Millionen Tonnen, berichtet der Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Nürnberg, Guido Zander. »Wir hatten 2015 und 2016 wesentlich stärkere Rückgänge gehabt als vorher. Das lag am niedrigen Wasserstand auf Rhein und Donau.« Dieser habe dazu geführt, dass Unternehmen beim Transport von Schüttgut - Dünger, Streusalz, Eisenerz, Kohle und Getreide - »temporär« auf die Bahn umgestiegen seien. »Erst seit Herbst 2016 läuft es wieder gut.«
Einen überraschenden Boom hat dagegen der Flusskreuzfahrt-Tourismus dem Kanal beschert. Allein 2016 passierten 1272 schwimmende Hotels den Kanal - viermal so viele wie vor 15 Jahren.
Vom Kuchen des Flusskreuzfahrt-Tourismus bekäme Christoph Würflein gerne etwas ab. Er ist Geschäftsführer des Tourismusverbandes Naturpark Altmühl - einer Region, die mit dem Bau des Kanals völlig ihr Gesicht veränderte. »Ich würde mir wünschen, dass die Schiffe auch bei uns mal halten.«
Völlig anders sieht man das beim Bund Naturschutz. Noch immer ist die Verbitterung über die Niederlage groß. Dem Kanal seien »Höhepunkte mitteleuropäischer Kulturlandschaften« zum Opfer gefallen. Nach BN-Erhebungen wurden im Altmühltal, Ottmaringertal und im Sulztal »600 Hektar schutzwürdigste Feuchtgebiete irreparabel vernichtet«. Dadurch sei eine Vielzahl von Arten dort für immer verschwunden. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.