Die Skipetaren sind wahlmüde
Geringe Teilnahme an Urnengang bescherte Premier Rama exorbitanten Sieg
Der große Triumphator von Albaniens Parlamentswahl ging erst einmal auf Tauchstation. 51,6 Prozent und vermutlich 75 der 140 Sitze haben die regierenden Sozialisten (PS) von Premier Edi Rama nach der Auszählung von 40 Prozent der Stimmen eingefahren. Doch obwohl der erwartete Wahlsieg für Albaniens Platzhirsch bei dem schwach frequentierten Urnengang damit deutlicher als prognostiziert ausfällt, verzichtete der Wahlsieger auf das übliche Bad in der Menge: Erst am Montag würdigte Rama seinen unerwartet klaren Erfolg in einer Presseerklärung als »Meisterstück des einfachen Volkes«.
Lässig wie ein mürrischer Rockstar war der stoppelbärtige Regierungschef in einem offenen weißen Hemd über seinem schwarzen Smiley-T-Shirt am Sonntag zur Wahlkabine gepilgert. Selbst schenkte der eigenwillige Künstler den Fotografen nur ein kurzes Sekundenlächeln bei seiner Stimmabgabe. Vermutlich war es weniger die auf 45 Prozent gepurzelte Wahlbeteiligung als die Ahnung der Folgen von der angestrebten alleinigen Last der Verantwortung, die den früheren Basketballnationalspieler nach getaner Wahltat so griesgrämig wirken ließ: Ausreden für die Missstände in dem bitterarmen Land zählen nicht mehr, falls der 52-jährige Premier künftig tatsächlich ohne lästigen Koalitionspartner regieren kann.
Nur Ramas Rechnung ging auf. Katzenjammer war hingegen bei der konservativen PD von Oppositionschef Luzlim Basha angesagt. Nur in einem von zwölf Wahldistrikten lag die langjährige Regierungspartei noch vorn, die mit lediglich 29,3 Prozent der Stimmen auf das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte kam. Erschüttert forderte DP-Mitbegründer Besnik Mustafaj nach dem Wahldebakel den gescheiterten Parteichef zum sofortigen Rücktritt auf. Tatsächlich hatte sich der Oppositionsführer mit seinem Eiertanz zwischen dem von ihm monatelang angedrohten Wahlboykott und dem kurz vor der Wahl auf Druck der EU und der USA geschlossenen Burgfrieden mit Rama kräftig verkalkuliert. Viele PD-Stammwähler waren den Urnen offenbar ferngeblieben.
Zulegen konnte hingegen die bisher mitregierende LSI von Staatschef Ilir Meta, deren Anteil von 10,4 auf 15,4 Prozent stieg. Sollte die einst von der PS abgesplitterte Klientelpartei allerdings aus dem Regierungsboot purzeln, könnte sich ihr Erfolg fern der vertrauten Futtertröge der Macht noch als Pyrrhussieg entpuppen.
Auffällig war bei dem so ruhig wie selten zuvor verlaufenen Votum jedoch vor allem der hohe Anteil der Nichtwähler. Von der Hitze über das Ende des Fastenmonats Ramadan bis hin zur anhaltenden Emigration reichten die Erklärungen für die von 53 auf 45 Prozent gesunkene Wahlbeteiligung. Doch viele Albaner scheinen den endlosen Verheißungen ihrer Politiker auf bessere Zeiten wohl kaum mehr Glauben und Gehör zu schenken.
Von der Landesplage Korruption und der Armut über den sich ausbreitenden Cannabisanbau und der hohen Jugendarbeitslosigkeit bis hin zu der dysfunktionalen Justiz und der anhaltenden Abwanderung der gut ausgebildeten Nachwuchskader reichen die Endlosbaustellen im Land der Skipetaren.
Schlüssige Konzepte zur nachhaltigen Gesundung des Landes waren in dem von Schlagworten geprägten Wahlkampf kaum zu hören. Rama hat dennoch die von ihm anvisierte Mehrheit erstritten. Nun hat der scharfzüngige Selbstdarsteller zu beweisen, dass er seine neue Machtfülle auch zu nutzen versteht.
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