»Die Afrikaner wollen nicht zu uns …

Kathrin Gerlof über eine inhumane Strategie, die sich hinter einem niedlichen Namen versteckt

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

… weil sie immer ärmer werden, wie wir glauben, sondern weil sie immer weniger arm werden.« Diesen Befund verdanken wir dem Unternehmer, Berater und Autor Hans Stoisser, der seine Einsichten für »Cicero-online« aufschreiben durfte. Ein kluger Mann, der wahrscheinlich weiß, dass der Staatsmann Marcus Tullius Cicero (106 - 43 v.Ch.) einst sagte: »Man muss nicht alles glauben, was man hört.« Aber man kann, zumal, wenn es ein Mann sagt, der viele Jahre in und mit Emerging Countries (noch unterentwickelte Länder) gearbeitet und österreichische Unternehmen bei ihrer Expansion in die osteuropäischen Nachbarländer begleitet hat. Natürlich macht auch Stoisser einen Unterschied zu jenen, die aus Angst vor Krieg oder Verfolgung fliehen, sein Fokus aber liegt auf den Migranten, die uns nützen können. »Europa braucht eine Immigrationspolitik mit einer proaktiven Suche nach Zuwanderern, die zu uns passen.«

So sieht das die Politik auch. Und sucht nach Mitteln und Möglichkeiten, im Sinne unserer Wirtschaft und unseres Wohlergehens zu sortieren. Aschenputtel hatte dafür die hilfreichen Tauben, die Europäische Union bedient sich unter anderem der satellitengestützen Plattform »Seepferdchen Mittelmeer«, die noch in diesem Jahr in Betrieb genommen wird.

Nun könnte der Bürger und auch die Bürgerin denken, es ginge dabei darum, den Fliehenden das Schwimmen beizubringen, bevor sie in verrottete Boote steigen. Als Rettungsmaßnahme sozusagen und damit sie allein zurückschwimmen können. Aber dann fragt sich, warum satellitengestützt?

Die Sache ist so: Die EU-Mitgliedsstaaten wollen ja nicht, dass die kommen. Egal, ob Herr Stoisser sagt, die täten das nur, weil sie immer weniger arm seien. Deshalb wurde und wird ein Netzwerk errichtet, mit dessen Hilfe Militär und Grenzpolizeien kommunizieren können. Libyen, Ägypten, Tunesien sind mit im Boot (schlechtes Sprachbild). Offiziell geht es darum, Schleusern und Menschenhändlern das Handwerk zu legen. In echt richtet sich die Seepferdchen-Aktion (das ist wirklich ein niedlicher Name) gegen die Geflüchteten. Schon vor vielen Jahren, das Jahrtausend war noch jung, entstand das Netzwerk »Seepferdchen Atlantik«, in das westafrikanische Staaten eingebunden sind. Dafür erhielten sie 1,4 Millionen aus EU-Mitteln und von Spanien.

»Seepferdchen Mittelmeer« wird an das Grenzüberwachungssystem EUROSUR angeschlossen, mit dessen Hilfe wir die Ostsee, das Schwarze Meer, den Atlantik und das Mittelmeer im Blick haben. Über all diese Teiche kommt uns die Heimsuchung ins Europäische Haus, man kann gar nicht vorsichtig genug sein. EUROSUR wiederum liefert seine Informationen an FRONTEX, eine Grenzagentur zu unser aller Sicherheit.

Im dialogischen Verfahren wurden Tunesien, Algerien und Ägypten nun ermuntert, sich an »Seepferdchen Mittelmeer« zu beteiligen. Zur Verhinderung von Überfahrten. Das wird Herrn Stoisser in dieser Rigorosität nicht gefallen. Wo und wann bitteschön soll denn sortiert werden in die Guten (ins Töpfchen) und die Schlechten (ins Kröpfchen). Vielleicht werden da Überfahrten von Leuten verhindert, die uns wirklich von Nutzen sein könnten.

Nebensächlich, aber nicht uninteressant ist die Frage, wer eigentlich auf den Namen Seepferdchen für diese Art von Abschottungsmaßnahmen gekommen ist. Und ob derjenige am Anfang sogar wirklich vorhatte, Fluchtwillige das Schwimmen zu lehren, dann aber davon abgekommen ist, weil schon die alten Seemänner wussten, dass es nur den Todeskampf verlängert, schwimmen zu können, wenn das Boot einmal abgesoffen ist. Aber weil der Name so hübsch ist, blieb er einfach in der Welt. So kann es gewesen sein und es wäre immer noch besser, als hätte da irgendwo ein zynisches Arschloch gesessen und gesagt: Dieses Projekt nennen wir mal Seepferdchen und das nächste dann »Gute Heimreise«.

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