Wohnraumgesetz-Novelle passiert Ausschüsse
Koalition will mit Gesetzesänderungen Unsicherheiten für Mieter im sozialen Wohnungsbau ausräumen
Beim Wohnraumgesetz soll es jetzt schnell gehen. Am Mittwoch traf sich der Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses zu einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung zwecks abschließender Beratung und Beschlussfassung. Am Nachmittag ging die Vorlage dann in den Haushaltsausschuss. Bereits am 6. Juli soll das Parlament das Gesetz beschließen, das dann wenig später in Kraft treten könnte. Ohne die Sondersitzung wäre das erst im September möglich gewesen. Für die Koalition ist dieses so genannte Vorschaltgesetz nur die erste Stufe der Neuordnung der sozialen Wohnraumförderung in den Beständen des sozialen Wohnungsbaus. Eine umfassende Reform ist für das Frühjahr 2018 geplant.
Kernpunkte des Gesetzes sind die Anhebung der einkommensbezogenen Mietzuschüsse, die Umstellung der Berechnung von Nettokalt- auf Bruttowarmmieten, der Ausschluss rückwirkender Mieterhöhungen und die Streichung eines Paragrafen im bisherigen Gesetz, der für Hausbesitzer nach einem Verkauf den Ausstieg aus der Belegungsbindung ermöglichte. Als maximale Bruttomietbelastung, also inklusive Nebenkosten, werden in dem Gesetz 30 Prozent des Haushaltseinkommens festgelegt. Die Förderung wird allerdings bei erheblicher Überschreitung der als »angemessen« definierten Wohnungsgröße gekappt. Diese beträgt für Ein-, Zwei- und Drei-Personen-Haushalte 50, 65 und 80 Quadratmeter. Der maximale Mietzuschuss wird ferner von 2,50 Euro (kalt) auf fünf Euro (warm) angehoben und darf maximal 50 Prozent der Gesamtmiete betragen.
Im Vorfeld der Ausschusssitzung gab es Kritik von der Opposition. Christian Gräff, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, bemängelte das »Hauruck-Verfahren« mit dem »Rot-Rot-Grün das Vorschaltgesetz zum Berliner Wohnraumgesetz noch wahlkampfwirksam vor der Sommerpause durch die Ausschüsse peitschen will«. Eine Beratung und Beschlussfassung über das Gesetz sei daher nicht »mit der erforderlichen Sorgfalt und Seriosität« möglich.
Vertreter der Koalitionsfraktionen wiesen das zurück. Für viele Mieter im sozialen Wohnungsbau hätten die Gesetzesänderungen »existenzielle Bedeutung« und die Änderungen könnten die Unsicherheit bei der materiellen Lebensplanung ausräumen, so die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katrin Schmidberger. Es gehe um Menschen mit sehr geringen Einkünften. Die Obergrenze für einen Wohnberechtigungsschein (WBS) für einen Dreipersonenhaushalt liege bei 1823 Euro monatlich.
In der Aussprache bemängelte Gräff vor allem »ordnungspolitische Fehlanreize« wegen der Umstellung der Förderberechnung von Netto- auf Bruttomieten. Dies stelle zudem ein »unkalkulierbares Haushaltsrisiko« dar. In diese Kerbe schlug auch der AfD-Abgeordnete Harald Laatsch, der von »schlecht integrierten Ausländern« in vielen Sozialwohnungen schwadronierte, die angeblich »den ganzen Tag das Wasser laufen lassen, die Heizung voll aufdrehen und die Zimmertemperatur durch Öffnen und Schließen der Fenster regulieren«. Die anderen Abgeordneten reagierten relativ gelassen auf diese Tiraden. Die Abstimmung verlief dann ohne Überraschungen: Die Koalitionsparteien stimmten geschlossen für das Gesetz und zwei kleinere Änderungen, CDU und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich. Kritik gibt es allerdings auch von Mieterinitiativen. In einem offenen Brief an Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) und die Spitzen der Koalitionsparteien bemängeln die Mietergemeinschaft »Kotti & Co« und andere Gruppen vor allem, dass Mieter, deren Einkünfte deutlich unterhalb der WBS-Grenzen liegen, von der Kappungsgrenze (30 Prozent des Einkommens) ausgenommen seien. Da die Härtefallzuschüsse gedeckelt wurden, sei nicht auszuschließen, dass ausgerechnet besonders arme Mieter schlechter dastehen könnten als vorher.
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