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Heißkalte Maschinen

Zoot Woman

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 2 Min.

Aha, nun ja - Zoot Woman sind zurück mit ihrem fünften Album »Absence«. Hat jemand darauf gewartet? Nicht wirklich. Hatte man auch 2014 schon nicht, als Stuart Price, Johnny und Adam Blake »Star Climbing« veröffentlichten. Von Nachteil muss so was nicht zwingend sein, sofern die Musik an sich Sinn und Spaß macht und man als Musiker ein einigermaßen dickes Fell hat, die Künstlerseele sich also nicht den halben Tag lang nach Aufmerksamkeit und Liebe verzehrt.

Bei unserem britischen Trio ist das vermutlich so. Wie sonst sollte man erklären, dass sie seit ihrem vor 16 Jahren erschienenen Debüt »Living in a Magazine« und dem Nachfolger »Zoot Woman« aus dem Jahr 2003 so wenig an ihrer Sound- bzw. ehemaligen Erfolgsformel geändert haben? Doof sind sie ja nicht, eher stur. Damals klang ihr so typischer, möglicherweise sogar stilprägender Synthie-Dance-Pop süffig und sexy, vor allem hip, wie übrigens auch Hot Chip und Phoenix einmal verdammt frisch geklungen haben, bis sie den immer schneller davonrasenden Zug namens »Gegenwart« verpassten. Wirklich hinterhergehechelt sind ihm freilich nur Phoenix; hört man ihre wahlweise uncharmant überproduzierten bzw. furchtbar langweiligen letzten Alben »Bankrupt« (2013) und »Ti Amo« (2017), weiß man: Sie hätten es besser gelassen. Johnny Blakes Falsett jedenfalls sorgte für Schmelz und Sehnsucht, während der von Madonna liebevoll »Thin White Duke« genannte Madonna-Produzent (»Confessions on a Dance Floor«) Stuart Price und Johnnys Bruder Adam leicht angerockte eletroeske House-Discosounds mit schlankem Wumms produzierten. Ja, das hatte was.

Die alten Sachen sind gut gealtert oder schlecht, je nachdem, wie wichtig einem der Zeitgeist ist. Dem Autor dieser Kolumne ist er, salopp gesagt, schnurzpiepegal, weshalb er die »neuen« warmkalten Analog-Synthie-Maschinen-Songs, die mal an Kraftwerk erinnern, mal an Balearen-Disco, ebenso genießen kann wie die hübschen Gitarrenriffs, über die sich der hooklinestarke Housepop mit seinen tendenziell trockenen Beats ein Stück weit dem guten alten Softrock anverwandelt.

Was schade ist: Johnny Blake versaut sich sein schönes 80er-Sonnenbrillen-Koks-Falsett durch eine Errungenschaft, die längst keine mehr ist, sondern nur noch durch, durch, durch. Dummerweise merkt das niemand, die geklont metallisch vor sich hinblubbernden Künstler nicht, die träge Masse sowieso nicht. Und solange meinungs- und marktmächtige Musiker wie Frank Ocean nicht die Finger davon lassen, wird das wohl auch so bleiben. Autotune ist der Name dieser großen Gleichmachermaschine. Johnny Blake benutzt sie noch relativ diskret, was schlimm genug ist. Schließlich raubt die beliebte Stimmenmodulationssoftware noch der stärksten, eigenwilligsten Stimme Tiefe und Seele.

Zoot Woman: »Absence« (Snowhite/ Rough Trade)

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