Banker verzichten während G20 auf ihre Maßanzüge

Commerzbank in Hamburg rät ihren Mitarbeitern, während der Gipfel-Tage zu »legerer Kleidung«

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

In den kommenden Tagen herrscht in der Hamburger Innenstadt der Ausnahmezustand: Besonders am kommenden Freitag, wenn die Staats- und Regierungschefs der G20 zwischen ihren Hotels, Tagungsort und Elbphilharmonie mit Karawanen an gepanzerten Limousinen von A nach B und C und wieder zurück kutschiert werden, ist besonders innerhalb der »blauen Zone« für die Anwohner wohl kaum an Alltag zu denken, selbst wenn sie mit dem Gipfel-Zirkus persönlich nichts zu tun haben. Es fragt sich nur, wer letztlich Ursache für das ganze Chaos ist.

Die Commerzbank jedenfalls hat nach Aussage von tagesschau.de ihren Mitarbeitern in den Innenstadtfilialen angeboten, dieser Tage »in legerer Kleidung zur Arbeit zu kommen«. Statt im Maßanzug oder Kostüm wird die ein oder andere Mitarbeiter also vielleicht im T-Shirt am Bankschalter sitzen. Als Grund für die Empfehlung wird eine Sprecherin mit den Worten zitiert, wonach die Banker »nicht unnötig Konfrontationsflächen bieten« sollten.

Bei der Commerzbank geht offenbar die Furcht um, die zu erwartenden G20-Gegendemonstranten könnten ihre Wut womöglich an einem einfachen Bankangestellten auslassen. Immerhin dürfte die Finanzindustrie unter vielen Gipfelgegnern nicht unbedingt als die sympathischste Branche gelten. Übrigens: Bei der Hamburger Sparkasse gibt es solch einen Hinweis an die Kollegen nicht.

Auf linksunten.indymedia.org findet sich ein Hinweis, warum sich die Commerzbank womöglich etwas nervös gibt. Eine Gruppe namens »…in Flensburg sagt man tschüss..« bekennt sich zu einem angeblichen Farbbeutelanschlag vor einer Woche auf eine Filiale besagten Geldhauses in der Hamburger Innenstadt. »Diese Bank ist für uns ein Symbol des Kapitalismus, und verkörpert daher in ihrer gesamten Mentalität ein anzugreifendes Ziel im Zusammenhang des kapitalistisch ausbeutenden G20 Gipfels in Hamburg. Die Commerzbank ist ein Paradebeispiel für die Verstrickung von Banken und bürgerlicher Politik, von Kapitalismus und Krieg«, heißt es in dem angeblichen Bekennerschreiben.

Von einem Aufruf, Jagd auf Bankangestellte zu machen, steht da allerdings nichts. Viel mehr wird auf den größeren, globalen Kontext hingewiesen und nicht auf die individuelle Schuld eines einzelnen Angestellten. »Auf dem Höhepunkt der kapitalistischen Krise wurde die Bank 2009 mit etwa 18 Milliarden Euro vom Staat unterstützt«, heißt es. Und weiter: »Weltweit vergibt Sie [die Commerzbank] Kredite an Kriegstreiber, Diktaturen und Atomwaffenhersteller.« Dafür kann bekanntlich der einfache Filialangestellte nichts – das wissen auch die G20-Kritiker.

Das Verhalten der Commerzbank in Hamburg erinnert an die Reaktion vieler Geldhäuser während der Blockupy-Proteste gegen die Europäische Zentralbank (EZB) 2013 in Frankfurt am Main. Anders als nun in Hamburg richtete sich der damalige Protest aber immerhin auch direkt gegen die europäische Finanzpolitik und damit auch gegen die Banken. Immerhin waren Letztere an der globalen Wirtschaftskrise nicht ganz unschuldig.

Vor vier Jahren waren die Vorkehrungen allerdings deutlich umfangreicher als nun in Hamburg: Viele Frankfurter Bankangestellte blieben während der Proteste gleich zuhause oder wichen auf andere Standorte außerhalb der Mainmetrople aus. Die Commerzbank machte ihre Zentrale in der Bankencity sogar gleich für mehrere Tage ganz dicht. Für EZB-Mitarbeiter gab es sogar »geheime Ausweich-Quartiere«, wie das Handelsblatt damals berichtete. Fast schon Ironie bewies Barclays. Aus Angst vor Fabbeutelattacken ließ das Finanzunternehmen seine Firmenschilder abmontieren. Ganz so, als wären Kapitalismuskritiker nicht nur per se aggressiv, sondern auch nicht in der Lage, eine Adresse vorab zu recherchieren.

Meldungen von durch Kapitalismuskritiker verletzten Finanzexperten gab es am Ende keine, wohl aber von mehr als 200 geschädigten Blockupy-Demonstranten durch die Polizei.

Dass das eigentliche Problem in Hamburg dieser Tage womöglich weniger mit dem zu erwartetenden Protesten als viel mehr mit Sperrzonen und dem Ausnahmezustand zu tun hat, zeigt das Beispiel Beiersdorf. Der nun wahrlich nicht im Fokus der Proteste stehende Konsumgüterkonzern bietet seinen 2500 Mitarbeitern in der Hansestadt an, zur Eröffnung des G20-Gipfels am kommenden Freitag von daheim aus zu arbeiten. Fast schon euphorisch verkündet ein Sprecher im »Hamburger Abendblatt«: »Wir wollen mit dem Homeof­fice-Tag flexibles Arbeiten für die gesamte Belegschaft erlebbar machen«. Wobei die Aussage auch nicht ganz stimmt: Rund 600 Beiersdorf-Beschäftige aus der Produktion, IT und dem Werksschutz müssen dennoch pünktlich ihren Dienst antreten.

Im zu erwartenden Verkehrschaos könnte sich dies als Herausforderung darstellen. Schuld sind auch hier nicht die Gipfelgegner, sondern die G20-Teilnehmer. Am Freitag dürfte sich das Prozedere von An- und Abreise jeweils über Stunden ziehen. Für die weitläufigen Absperrungen gibt es auch viele andere Gründe, als erwartete Gipfelgegner: Angst vor Terroranschlägen oder das sonst übliche hanseatische Verkehrschaos. Nicht auszudenken, müsste US-Präsident Donald Trumps Fahrer in seinem »The Beast« wütend ins Lenkrad beißen, wenn vor ihm ein Lieferwagen in zweiter Reihe parkend die Straße blockiert.

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