Zahltag für AKW-Betreiber

Am Montag haben sich E.on, RWE & Co. von ihrer Verantwortung für den Atommüll freigekauft

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

So viel Geld hat die Bundesbank noch nie auf einen Schlag eingenommen: Rund 24 Milliarden Euro bekam sie am Montag von den Betreibern der deutschen Atomkraftwerke überwiesen. Mit dem Geld soll ein staatlich kontrollierter Fonds die noch nicht absehbaren Kosten für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus dem AKW-Betrieb begleichen. Das umfasst die Suche und den Bau eines Endlagers, seinen dauerhaften Betrieb sowie den Betrieb der Atommüll-Zwischenlager. Die 24 Milliarden setzen sich aus den Rückstellungen, den die Konzerne für diesen Teil des Atomausstiegs gebildet hatten, und einem Risikozuschlag von 35 Prozent zusammen.

E.on, RWE, Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Vattenfall müssen allerdings auch noch die Kosten für die Stilllegung und den Abriss der AKW sowie für die Verpackung des Atommülls übernehmen. Die Abmachung geht auf einen Vorschlag der »Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs« zurück. Das Gremium, dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kirchen angehörten, war vor zwei Jahren von der Bundesregierung eingesetzt worden, um einen Vorschlag zur »sachgerechten Umsetzung des Atomausstiegs« zu erarbeiten.

Weil das Sepa-System nur elfstellige Summen einschließlich Centangaben ermöglicht, gingen die Überweisungen am Montag gestückelt auf 20 verschiedenen Konten bei der Bundesbank ein. Gezahlt wurde per Eil-Überweisung, das Geld wurde dem Empfänger also noch am selben Tag gutgeschrieben. EnBW teilte mit, der Zahlungsweg sei vorab getestet worden, damit die Riesensumme beim richtigen Adressaten lande. Das Angebot, den Betrag auch in Ratenzahlungen abzustottern, hatten die Energieversorger abgelehnt, weil der Fonds in diesem Fall Zinsen verlangt hätte.

Überwiesen haben das Geld auch nicht die vier großen Konzerne selbst, sondern die von ihnen gegründeten AKW-Betreibergesellschaften. E.on zum Beispiel hatte für diese Zwecke vor einem Jahr die Firma Preussen-Elektra wiederbelebt, die mit rund zehn Milliarden Euro den größten Anteil an der Gesamtsumme trägt. Der Mutterkonzern hatte dafür im Frühjahr eine Kapitalerhöhung beschlossen und Anleihen ausgegeben. RWE steuert knapp sieben Milliarden Euro bei und stützt sich dabei unter anderem auf Rücklagen, die 2015 nach dem Verkauf der Öl- und Gastochter DEA gebildet wurden. EnBW, der Konzern ist quasi im Besitz des Landes Baden-Württemberg, musste 4,8 Milliarden und Vattenfall 1,8 Milliarden Euro zahlen.

Berücksichtigt werden musste auch, dass einige Atommeiler mehreren Unternehmen gemeinsam gehören. Am AKW Grohnde in Niedersachsen ist zudem die Stadt Bielefeld über ihre Stadtwerke beteiligt. Die Deutsche Bahn wiederum, die gern mit »100 Prozent Ökostrom« wirbt, hält Anteile am Atomkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg.

Die Verwaltung und möglichst Mehrung der 24 Milliarden Euro obliegt nun dem »Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung«. Er war im Juni vom Bundeswirtschaftsministerium ins Leben gerufen worden. In seinen Vorstands- und Aufsichtsgremien haben ausgewiesene Finanzprofis das Sagen. Im Kuratorium wiederum sitzen Gesandte der im Bundestag vertretenen Parteien.

Die Satzung schreibt vor, dass das Geld mit überschaubarem Risiko gebunden werden muss. Maximal 35 Prozent dürfen beispielsweise in Aktien oder Anlagen mit höherem Risiko fließen. Dennoch wird der Fonds zunächst Geld verlieren. Denn die Bundesbank kassiert seit einiger Zeit Strafzinsen für das Parken von Geld, pro Tag summieren sich diese auf immerhin fast 260 000 Euro. »Der Druck, das Geld mit Rendite schnell anzulegen, ist entsprechend hoch«, kommentierte die Nachrichtenagentur Reuters. »Dennoch wird wohl nicht zu vermeiden sein, dass der Fonds bis Jahresende weniger Geld haben wird als am 3. Juli.«

Umweltschützer bekräftigten am Montag ihre Kritik an dem Deal. Nach ihrer Ansicht kaufen sich die Energiekonzerne, die jahrzehntelang gut an der Atomkraft verdient haben, unter Wert von der unangenehmen Aufgabe der Müllentsorgung frei. Und sie befürchten, dass die Kosten explodieren, weshalb die Einlagen nicht ausreichen und letztlich die Steuerzahler einspringen müssen. »Es war ein unfassbar teurer Fehler, den Stromkonzernen zu gestatten, sich mit einer Einmalzahlung von der Haftung für die Atommülllagerung zu befreien«, sagte Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation »ausgestrahlt«.

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