Türkei lässt Ex-Soldaten in Deutschland ausspionieren

Befehl zum Ausforschen der nach dem Putschversuch geflohenen Militärs Anfang Juni ergangen / CHP bereitet Großkundgebung in Istanbul nach Protestmarsch vor

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. In Deutschland stationierte türkische Soldaten sollen den Auftrag haben, aus der Türkei geflohene Ex-Militärs auszuspionieren. Ein entsprechender Befehl sei laut Recherchen von »Süddeutscher Zeitung«, NDR und WDR am 9. Juni an alle türkischen Militärattachés sowie an türkische Offiziere in NATO-Stützpunkten – also auch in anderen europäischen Ländern und in den USA – ergangen. Insgesamt handelt es sich um mehrere Hundert Empfänger.

Ziel der Ausforschungsanweisung sind nach den Medienberichten ehemalige türkische Soldaten, die nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 aus dem Dienst entlassen wurden. Über sie sollen Informationen zum Wohnort, zu ihrer derzeitigen Arbeit, über mögliche Asylanträge und über Kontakte zu ausländischen Regierungen oder Medien gesammelt werden.

Zuletzt hatten laut tagesschau.de zwei Offiziere, die nach türkischen Angaben direkt in den Putsch verwickelt waren, Asyl in Hessen beantragt. Zahlreiche der Ex-Militärs erhielten mittlerweile in Deutschland Asyl, mehr als 400 Menschen beantragten einen solchen Schutzstatus.

Der Befehl des türkischen Generalstabs an seine Soldaten im Ausland könnte in Deutschland den Tatbestand der Spionage erfüllen und wäre damit strafbar. Bereits im März sagte Innenminister Thomas de Maizière: »Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet. Das gilt für jeden ausländischen Staat und auch für jeden Nachrichtendienst.« Deutschland ermittelt bereits seit einigen Monaten gegen mutmaßliche Spione.

Die türkische Regierung macht für den gescheiterten Umsturz vor einem Jahr den islamistischen Prediger Gülen verantwortlich und vermutet dessen Anhänger auch im Militär – die deutschen Behörden teilen diese Einschätzung nicht.

CHP plant Großkundgebung in Istanbul zum Abschluss von Protestmarsch

Derweil laufen die Vorbereitungen für eine Großkundgebung der größten türkischen Oppositionspartei CHP zum Abschluss ihres 400 Kilometer langen Protestmarsches von Ankara nach Istanbul. Die Partei erwarte »mindestens eine Million« Menschen zu der Versammlung am Sonntag im Istanbuler Stadtteil Maltepe, sagte ein Sprecher des Parteivorsitzenden Kemal Kilicdaroglu der Deutschen Presse-Agentur. Voraussichtlich werde man am Samstag die Grenze der Provinz Istanbul erreichen.

Kilicdaroglu führt den »Gerechtigkeitsmarsch« seit 15. Juni an. Auslöser des Protestmarsches war die Verurteilung des CHP-Abgeordneten Enis Berberoglu zu 25 Jahren Haft wegen Geheimnisverrats. Die Aktion richtet sich gegen die Politik der Regierung und der von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.

Kilicdaroglu sagte der Deutschen Presse-Agentur, die türkische Führung habe nach dem Putschversuch vom 15. Juli mit der Verhängung des Ausnahmezustands einen »zivilen Putsch« durchgeführt. Die Gesellschaft werde zudem zunehmend eingeschüchtert. Mit dem »Gerechtigkeitsmarsch« wolle man »das Hemd der Angst, das dem Volk angezogen wurde, zerreißen«. nd/dpa

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