G20-Gegner kritisieren Kampagne gegen »Welcome to Hell«
Protestcamp in Altona will mehr Menschen aufnehmen / Bis zu 20.000 Menschen feiern ihre Kritik am Krisenkapitalismus / Tausende tanzen gegen G20-Gipfel
Update 12.23 Uhr: »Welcome to Hell« kritisiert Kampagne gegen Autonomen-Demo
Vor der Anti-G20-Demonstration »Welcome to Hell« am Donnerstag hat Anmelder Andreas Blechschmidt vom linksautonomen Kulturzentrum »Rote Flora« Innenbehörde und Hamburger Verfassungsschutz vorgeworfen, »eine massive Kampagne« gegen Demonstranten zu führen. »Das Bündnis, für das ich hier stellvertretend spreche, ist seit einer Woche Ziel einer massiven und denunzierenden Stigmatisierung, mit haltlosen und aus der Luft gegriffenen Gewaltszenarien«, sagte Blechschmidt bei einer Pressekonferenz des Alternativen Medienzentrums »FC/MC« in Hamburg.
Dass die Versammlungsbehörde die Demonstration ohne Auflagen für die öffentliche Sicherheit bewilligt habe und die Abschlusskundgebung auf der Kreuzung Sievekingplatz/ Holstenglacis/ Glacischaussee genehmigt worden sei, belege das. Keine andere Demonstration dürfe dem G20-Tagungsort in den Messehallen näher kommen.
Update 12.00 Uhr: G20-Protestcamp in Altona will mehr Menschen aufnehmen
Die Veranstalter des G20-Protestcamps in Altona wollen noch vor Beginn des Gipfeltreffens erreichen, dass die Obergrenze für die Zahl der Zelte aufgehoben wird. Ein entsprechender Antrag sei bei der Polizei am Donnerstagvormittag eingereicht worden, sagte Versammlungsleiter Carsten Orth der Deutschen Presse-Agentur. Die Polizei bestätigte das.
Am Mittwochabend waren 300 Zelte für jeweils maximal drei Personen genehmigt worden - außerdem zwei Zirkuszelte und 23 Veranstaltungs- oder Versorgungszelte. Sie stehen alle im Altonaer Volkspark. Er erwarte 3000 bis 7000 Menschen im Protestcamp, sagte Orth. Am Vormittag waren seinen Angaben zufolge dort 1500 bis 2000 Menschen versammelt. Die Polizei sprach von 750.
Update 8 Uhr: Polizei ist angewiesen, Härte zu zeigen
Noch am Mittwochabend war der Protest gegen den G20-Gipfel bunt-kreativ und friedlich-freundlich. »Lieber tanz’ ich als G20« hieß die Demonstration mit Technomusik und bunt geschmückten Wagen. Der Donnerstag begann für viele von denen, die in der Stadt geblieben sind, mit Ärger. Die ersten Verkehrseinschränkungen traten in Kraft, denn die ersten Staatsgäste schweben ein. Unter ihnen sind US-Präsident Donald Trump, der russische Präsident Wladimir Putin sowie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Alle drei Staatschefs gelten als besonders gefährdet, entsprechend umfangreich und Regie sind die Sicherheitsmaßnahmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird sich am Donnerstag bereits mit Trump im Hamburger Hotel »Atlantic« treffen, um die Gipfelchancen auszuloten. Es wird damit gerechnet, dass Trump wegen seiner protektionistischen Handels- und Wirtschaftspolitik sowie die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens für Streit sorgen könnte. Auf Wunsch Ankaras wird sich Merkel zudem mit Erdogan treffen. Zwischen Deutschland und der Türkei gibt es seit längerem erhebliche politische Verstimmungen.
Die Proteste begannen am Donnerstag um 7 Uhr mit einer Yoga-Demonstration an der Kennedybrücke. Für 9 Uhr ist eine Mahnwache am Jungfernstieg angekündigt. Viel gemutmaßt wird, wie die Demonstration verlaufen wird, die um 16 Uhr auf dem Fischmarkt beginnen soll. Sie steht unter dem Motto »Welcome tu Hell«. Die Polizei rechnet seit Tagen »mit bis zu 10.000 teils gewaltbereiten Linksextremisten«, wie es in offiziellen Erklärungen und der Presse meist heißt. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) will sogar wissen, dass etwa Eintausend Autonome aus Frankreich, Italien und Skandinavien auf dem Weg nach Hamburg sind. Die Polizei wurde angewiesen, Härte zu zeigen. Man werde, so Grote, »sehr auf einen friedlichen Verlauf achten«. Und wenn es aber aus der Versammlung heraus zu Störungen kommt, »dann wird es auch eine polizeiliche Reaktion darauf geben«. Daran zweifelt niemand. Eher wird befürchtet, die Polizei könnte ihren Teil zum Gelingen der gewaltsamen Auseinandersetzung beitragen.
Am Abend wird ein großes Konzert mit nationalen und internationalen Stars stattfinden. Unter anderem treten die Band Coldplay, Herbert Grönemeyer und Ellie Goulding auf. Organisiert wird das vom nur live übertragene Konzert von der Bewegung »Global Citizen« . Die Weltbürger wollen Druck auf die herrschenden Politiker ausüben und vor allem ein Zeichen gegen andauernde Armut und Ungleichheit setzen will.
Update 7 Uhr: Tausende tanzen gegen G20-Gipfel
Viele tausend Menschen haben am Mittwochabend in Hamburg unter dem Motto »Lieber tanz ich als G20« gegen den bevorstehenden Gipfel demonstriert. die Veranstalter sprachen von bis zu 20.000 Teilnehmern, die zählte ihrerseits 11.000. Die Demos wurde von elektronischer Musik und bunten Schildern begleitet, auf denen Parolen wie »G20 in die Tonne kloppen« zu lesen war. Vorwiegend junge Leute nahmen teil, am Rande waren auch Schaulustige mit Kindern zu sehen. In einem Aufruf der Veranstalter zum Protest gegen den Gipfel hieß es, man wolle sich weder durch Sicherheitszonen noch durch die kapitalistische Verwertungsmaschinerie lahmlegen lassen.
Ein Dutzend mit Transparenten geschmückte Motiv- und Musikwagen rollten in dem Zug mit. Viele Spruchbänder nahmen Bezug auf das von der Polizei verfügte Übernachtungsverbot für G20-Gegner in Camps. »Yes we camp« war etwa zu lesen. Auf ein Banner waren zwei Warnzeichen und der Spruch »Danger! Dosenöffner im Camp gefunden« aufgemalt. Von einigen Wagen stiegen große Seifenblasen und Rauch aus Nebelmaschinen auf.
Unterdessen erhielten die G20-Kritiker nun doch die Erlaubnis, in zwei Protest-Camps zu übernachten. Im Elbpark Entenwerder genehmigte das Oberverwaltungsgericht Hamburg den Aufbau von 300 Schlafzelten. Auch im Altonaer Volkspark dürfen die Demonstranten übernachten, hier wurden nach Angaben der Polizei ebenfalls 300 Zelte zugelassen. Die Frage der Übernachtungscamps sorgt seit Wochen für Debatten. Am Sonntag hatten die Einsatzkräfte noch mit Gewalt den Versuch unterbunden, im Protest-Camp Entenwerder Schlafzelte zu errichten. Auch in Altona hatte die Polizei den Aufbau von Schlafzelten zunächst verhindert.
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht erklärte in einem der beiden Fälle nun unter Berufung auf eine frühere Eilentscheidung aus Karlsruhe, »dass für Teilnehmer an den politischen Veranstaltungen des Protestcamps auch Schlafzelte und versorgende Infrastruktureinrichtungen vorsorglich dem Versammlungsrecht zu unterstellen und als Teil der Versammlung zu behandeln seien«. Die Aufstellung von bis zu 300 Schlafzelten im Antikapitalistisches Protestcamp »könne nicht im Hinblick auf mögliche Gefahren für Rechtsgüter von Dritten untersagt werden. Eine auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Gefahrenprognose sei von der Versammlungsbehörde nicht hinreichend dargelegt worden. Insbesondere seien keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass der Elbpark Entenwerder trotz seiner Entfernung zur Innenstadt ein möglicher naheliegender Ausgangspunkt für Blockaden von Protokollstrecken und sonstigen unter Sicherheitsaspekten sensiblen Punkten im Stadtgebiet sei«, teilte das Gericht mit. »Auch seien keine konkreten Belege dazu vorgelegt worden, dass bei früheren Versammlungen aus Protestcamps heraus Straftaten begangen worden seien.«
Der Tag blieb in Hamburg vergleichsweise ruhig. Am Mittwoch habe es im Umfeld zweier größerer Demonstrationen vereinzelt Flaschenwürfe gegen Polizisten gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. Sechs Menschen seien vorläufig festgenommen worden. Tausende Menschen hatten am Mittwochabend gegen den Gipfel demonstriert. An diesem Donnerstag steht unter anderem die Demonstration »G20 - Welcome to Hell« auf dem Programm. Erwartet werden dazu rund 10.000 Menschen. mit Agenturen
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.