»Des passt scho«
In und um die Messehallen in Hamburg herrscht geschäftiges Treiben - unter höchster Sicherheitsstufe zum G20-Gipfel
Was nützt es, wenn die nach Hamburg reisenden Präsidenten und Regierungschefs zwar zwei Drittel der Weltbevölkerung vertreten und dennoch daheim kein Mensch weiß, wie sehr sie sich in Hamburg für die Belange ihrer Völker eingesetzt haben? Also braucht man Berichterstatter. Im besten Fall Journalisten. 4800 aus 65 Ländern wurden für den Gipfel in Hamburg beim Bundespresseamt akkreditiert. Darüber hinaus sind noch Hunderte im Stadtgebiet unterwegs, um von den diversen Protesten zu berichten. Denn in der Regel geht nur eines: drin sein oder draußen.
Die drin sind, sehen nichts. Noch nichts. Per Twitter erfährt man von der Ankunft des Sonderzuges, mit dem Gipfelgegner um Stunden verspätet am Hauptbahnhof angekommen sind. Auf dem Freigelände vor den Messehallen stehen zahlreiche Übertragungswagen. Innen finden die Medienvertreter beste Arbeitsbedingungen vor - und reichlich Nahrung: Kaffee, Cola, Obst und Snacks. Insgesamt 15 Tonnen Lebensmittel sind geordert, denn natürlich weiß man im Presseamt: Journalisten wollen gut versorgt sein. Was aber vor allem für Informationen gilt: Noch gibt es nur wenige. Auf Leinwänden in der Medienhalle sieht man Bilder vom Flughafen, wo am Donnerstagmittag die ersten Staatsgäste eintreffen. Gegen 11.30 Uhr rollt eine kleine Maschine aus, die dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma an Bord hat. Roter Teppich, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz ist zur Begrüßung erschienen, schwarze Limousinen warten. So geht es jetzt Schlag auf Schlag. Chinas Präsident kommt, dann der aus Argentinien. Ihm folgt der Premierminister Australiens.
Da noch Ruhe herrscht im Pressezentrum und die Sonne noch über Hamburg scheint, ist Gelegenheit für kurze Spaziergänge auf dem Messegelände. Was nicht ganz einfach ist, denn überall herrscht die höchste Sicherheitsstufe. Alle paar Meter schaut jemand, der dafür zuständig ist, auf die weitgehend fälschungssichere Zugangsberechtigung. Vor dem Eingang, den man nach mehreren Kontrollen erreicht, bilden sich lange Schlangen, denn die obligatorische elektronische »Durchleuchtung« von Gepäck und Personen würden jedem Flughafen zur Ehre gereichen.
Aber es lohnt einen - außerplanmäßigen - Blick in die Messehallen, zu werfen, die nichts mit Medien zu tun haben. Darin sind unter anderem die Fahrzeuge abgestellt, mit denen die Delegationen vom Flugplatz abgeholt und durch die Stadt kutschiert werden. Dazu hat man zahlreiche Polizeifahrzeuge und Begleitmotorräder in Hamburg zusammengezogen, die für freie Fahrt der Kolonnen sorgen sollen. Auf dem Messegelände warten sie auf ihren Einsatz. Insgesamt haben die Polizeien aus den Ländern und die vom Bund rund 3000 Fahrzeuge nach Hamburg, gebracht, wissen Kundige. Dazu gehören allein 38 Wasserwerfer. Bislang wurde erst einer eingesetzt. Doch man erwartet, dass man weitere gegen die sogenannten Autonomendemo einsetzen wird, die am späten Donnerstagnachmittag beginnen soll.
Zwischen all den in den Messehallen geparkten schwarzen Limousinen, Bussen und Polizeifahrzeugen sind plötzlich Stimmen zu hören, deren Dialekt unwillkürlich an Urlaub denken lässt. Sie gehören Polizisten aus Österreich. »Direkt von Wörthersee«, seien sie und »ganz freiwillig« in Hamburg. So wie auch Kollegen aus anderen EU-Staaten, mit denen Deutschland sogenannte Polizeigesetze geschlossen hat. Warum hat man sie geholt? Einer grinst und sagt: »Weil die Deutschen eben doch nicht alles alleine können. Aber des passt scho…«.
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